Udo Lindenberg
10.Oktober 2008, Hamburg, Color-Line-Arena
Als ich 1973 „The Sweet“ in der Hamburger Musikhalle sah, lief überall „Alles klar auf der Andrea Doria“ und der Stern von „uns Udo“ ging auf. Über die ganzen Jahre sammelten sich seine Platten bzw. CDs bei mir an, die Konzerte gingen jedoch immer wieder an mir vorbei. Irgendetwas kam immer daziwschen.
Diesmal klappte es endlich und es war jeden Cent wert. In den Vorbesprechungen hieß es immer „Comeback“-Tour, für mich war Udo nie weg. Okay, die Pausen zwischen den CDs waren etwas länger und nicht jede CD war ein Glücksgriff, aber von alledem war an diesem Abend nichts zu spüren.
Mit voller Energie, losem Mundwerk, gut bei Stimme und sehr viel Emotion rockte der alte Mann die 12.000 Besucher in Grund und Boden. Nur wer ganz nahe an der Bühne stand (oder die Videowände zur Hilfe nahm), sah einen 60jährigen Udo Lindenberg.
Alle anderen sahen einen hochkonzentrierten, gut aufgelegten Mann mit Hut, der mittlerweile auch sein Alter und die veränderte Sicht auf die Welt zum Thema seiner Songs macht.
Besonders beeindruckend für mich waren dann auch die langsamen Songs. „Säufermond“ liess einen die Luft anhalten und als hintereinander „Stark wie 2“ und „Horizont“ gespielt wurden, hatte das an diesem Tag schon eine besondere Bedeutung (Hi, Rollo!).
Diese Songs dienten dann unter anderem auch zum Luft holen, denn es ging für fast zwei Stunden ohne Pause durch fast vierzig Jahre „Lindisches“ Universum. Das neue Album wurde natürlich ausgiebig (und verdientermaßen) durchgespielt, daneben gab es aber auch neben all den Klassikern uralte („Daumen im Wind“) und etwas seltenere Stücke („Candy Jane“) zu hören.
Und am Ende waren wir fast alle heiser vom Mitsingen. Erstaunlich, wie einem plötzlich all die uralten Songs wieder einfallen!
Alles klar in der "Zuhause-Stadt Hamburch"
Vom "Daumen im Wind" bis "Woddy Woddy Wodka": 36 Jahre Udo pur in hoch konzentrierten 90 Minuten.
(Quelle: Tino Lange und Birgit Reuther, Hamburger Abendblatt v. 11.10.2008)
Wie sehnsüchtig Udo Lindenbergs Heimspiel erwartet wurde, wurde an den ungeduldigen Pfiffen deutlich, die um kurz nach acht durch die rappelvolle Color-Line-Arena hallten. Dann: Dunkelheit, Gitarrenbrodeln, Countdown, Feuerstrahl, Nebel, und unser aller Udo schwebte im Astronautenanzug von der Decke. Obwohl das Showgeschäft seit Jahrzehnten in seinen Adern pulsiert, beschritt er zaghaft wie der erste Mann auf dem Mond die Bühne. Einmal aus dem weißen Ei gepellt, offenbarte sich aber dann der klassische schwarze Udo mit Hut und Sonnenbrille. Und als auch die neongrünen Spacesocken von Schuhen verdeckt waren, tänzelte der 62-Jährige mit geschmeidig schlackernden Knien und rotierendem Mikro zum Eröffnungslied "Woddy Woddy Wodka", dem Schnapshit vom Comeback-Album "Stark wie Zwei".
Euphorisch feierten die Fans ihren Lokalhelden bei dessen rockender Kurzbiografie "Mein Ding". Und als Udo seine "Zuhause-Stadt Hamburch" sowie seine "Panik-Familie" pries an diesem "Heiligen Abend", als die Herzen ihm zuflogen, drängte sich der Eindruck auf: Udo ist hier so etwas wie Hans Albers in cool, wie Inge Meysel mit Hut.
"Die älteste Boyband der Welt" mit "450 Jahren Bühnenerfahrung" stand ihm dabei ebenso zur Seite wie eine Cellistin beim Klassiker "Cello" und Hamburgs Chef-Styler Jan Delay bei "Ganz anders".
Bei der "Komplizen"-Hymne "Wenn du durchhängst" wogte Pathos durch die Halle, in der 70er-Ballade "Nichts haut einen Seemann um" war er der Nuschel-Udo mit "Dabidubida" und Säufer-Sehnsuchts-Lyrik. Während er die "Rock'n'Roll-Zentrale" emotional voll im Griff hatte mit "Daumen im Wind", zeigten alte Fotos auf Leinwänden, dass jede seiner Falten so hart erarbeitet ist wie der Schweiß, der ihm bei der 80er-Edelschnulze "Ich lieb dich überhaupt nicht mehr" die Sonnenbrille von der Nase schwemmte.
In diesen puren Udo-Momenten war er am stärksten und wirkte direkter als umgeben von Background-Miezen ("Honky-Tonky-Show") oder Ballett-Rentnern ("Der Greis ist heiß"). Zum Glück gab es neben den Showeffekten auch Solomomente, als Udo eine der Rollen seines Lebens gab: den nervenschwachen Trinker in "Unterm Säufermond". "Überleben is' geiler", resümierte der Panik-Präsident. "Ich saß schon oft aufm Löffel, bin aber immer wieder runtergesprungen." In den Sonderzug, auf die Andrea Doria, auf die Bühne. Da, wo er hingehört.