Deep Purple Pressestimmen 2008

Pressestimmen

Rentner in Rock

Kiel - „Kiel, are you ready to rock?“ krakeelt Sänger Steve Lee von der Vorgruppe Gotthard ins Mikro. Und die Landeshauptstadt war bereit. Denn Deep Purple war in die Sparkassen-Arena gekommen, um hier ihr 40-jähriges Jubiläum zu feiern.

(Quelle: Jens Raschke, Kieler Nachrichten, 07.11.2008)

Natürlich: Runde Geburtstage waren schon immer ein guter Grund für Bands, noch einmal die Instrumente zu schultern und sich von den Fans in aller Welt ordentlich abfeiern zu lassen. Deep Purple bilden da keine Ausnahme. Selbst wenn von den Gründungsmitgliedern nur noch eines übrig ist und der angeblich 40. Geburtstag streng genommen erst der 32. ist. Denn von 1976 bis 1984 gab es die Band gar nicht.

Egal, solange es die Knochen noch mitmachen, wird gerockt. Fast alle in der Band haben die 60 bereits überschritten und sich die Rente mit rund 30 Alben und unzähligen Konzerten ehrlich und hart erarbeitet. Vor allem hart, denn Deep Purple, die ursprünglich mal Roundabout hießen und ihre Gründung der Geschäftsidee zweier findiger Unternehmer verdanken, sind und bleiben die Väter des Hard Rock. Jenes musikalischen Universums, das wie kaum ein zweites glänzende Sterne, aber auch abgrundtief schwarze Löcher hervorgebracht hat.

Eher Letzterem lassen sich auch die Herren von Gotthard zurechnen, die in der nicht ausverkauften Sparkassen-Arena die Anheizer mimen. Seit 1990 beliefert die Schweizer Gruppe ihre Anhängerschaft mit hoffnungslos überholtem Klötenrock, der wie gemacht scheint für Leute, die noch immer meinen, sie sähen sexy aus in Spandexhosen. Gotthards ganzes Gebaren, ihre vorhersehbare Musik, ihr käsemaukiges Posing sind zutiefst im 21. Jahrhundert verwurzelt. Vor Christus, wohlgemerkt.
„Kiel, are you ready to rock?“ krakeelt Sänger Steve Lee ins Mikro, während Leo Leoni, Freddy Scherer (Gitarren) und Marc Lynn (Bass) sich immer wieder breitbeinig an die Bühnenkante stellen und versuchen, ihr Publikum zum Mitklatschen zu animieren, derweil Hena Habegger am Schlagzeug den Rhythmus bolzt. Das fruchtet stets nur kurz, aber die Kieler reagieren trotzdem freundlich; wenngleich längst nicht so „oscarreif“, wie Lee es ihnen in einer seiner Anmoderationen (natürlich: zum Song „Oscar“) unterstellt.

Ach, was soll's. Man hört sich das eine Stunde lang an und möchte keine Zugabe. Dann, na endlich, Deep Purple! Ian Gillan , Steve Morse, Don Airey, Roger Glover und besagtes Urmitglied Ian Paice präsentieren über 90 Minuten lang die größten Erfolge aus 40, bzw. 32 Jahren Bandgeschichte. Und die war bekanntlich wechselhaft, vor allem, was Besetzungen betrifft. Zweimal wurde Gillan auf Betreiben von Ex-Gitarrist Ritchie Blackmore rausgeschmissen, bevor es dann 1992 endlich zur dauerhaften Bindung kam, Blackmore dafür den Hut nahm und seitdem einen auf keltischen Zupfgeigenhansel macht.

Steve Morse ersetzt ihn ebenso adäquat wie Don Airey den 2002 ausgeschiedenen Jon Lord, von dessen fauchend-barockem Orgelspiel er sich allerhand abgeschaut hat: Ob „Into The Fire“, „Strange Kind Of Woman“ oder „Hush“, Airey weiß, welche Teufel aus seiner Hammond auszutreiben sind. Das dröhnt und wabert, dass einem die Backentaschen schlackern. Nicht anders bei Roger Glovers kraftvollem Bassspiel, und auch Ian Paice erinnert sich noch ganz genau, wo an seinem Linkshänderschlagzeug die schnellen, prägnanten Rhythmen gedeihen.

Steve Morse distanziert sich indes hörbar vom eher trockenen Stil seines Vorgängers und gerät darüber immer wieder ins Gniedeln. Tja, und Ian Gillan, der arme Mann, schlägt wacker eine brutale Schlacht gegen den mauen Sound und die hohen Töne, die er gegen Ende, bei „Highway Star“, leider verliert. Macht nichts, er darf auf die Kieler Liebe zählen, vor allem als Morse endlich das berühmteste Riff der Rockgeschichte anstimmt und die Menge tanzen lässt: G, B, C – G, B, Cis, C – G, B, C – B, G. Erkennen Sie die Melodie? Auf die nächsten 40!