Deep Purple
23.11.2015, Live In Concert 2015, Hamburg, O2-World
Es gibt sie doch noch: gute Vorbands!
Von meinen Jungs bekam ich vor dem Konzert eine WhatsApp, ob mich Deep Purple nicht mittlerweile per Handschlag begrüßen würden. Ich gebe es ja zu, mittlerweile dürften es schon so zwei Dutzend Konzerte gewesen sein. Aber es ist halt wie ein Besuch bei alten Freunden. Man fühlt sich halt wohl und hin und wieder gibt es dann doch eine große Überraschunng.
Die heutige Überraschung war die Vorband!
Rival Sons
Die 80er & 90er schlicht ignoriert
Als die Band die Bühne betrat, ahnte ich nicht einmal ansatzweise, was da gleich abgehen würde. Fünf Typen in völlig unterschiedlicher Aufmachung: der Drummer in kurzen Hosen und roter Weste… wie ein Hippie aus den Endsechzigern, der Bassist ähnelte mit seiner Arbeitermütze einem irischen Workingclass-Hero, ein Keyboarder mit hohem Hut und langem Rauschebart, der Gitarrist schien gerade vom Spieltisch weggelockt worden zu sein und dann der Shouter: wirres ungebändigtes langes Haar, schwarze Lederjacke und Hose. Und dann brach eine Musik los, die sich um keinerlei Moden oder Lautstärkenbegrenzungen scherte. Der Himmel schien aufzugehen und Led Zeppelin, Free, The Doors und all die anderen Heroen vergangener Zeiten standen wieder jung und frisch auf der Bühne. Die Gitarre jaulte und heulte auf, der Sänger wand sich mal schreiend, mal seufzend und dann wieder groovend über die Bühne, die Keyboards legten einen Soundteppich während Schlagzeug und Bass unbeirrt den Takt vorgaben, immer vorwärts.
Die Songs umspannten von hartem Rock bis groovenden Blues die gesamt Bandbreite von allem, was der klassische Rock der 70er zu bieten hat.
Aber: das wirkte nicht eine Sekunde aufgesetzt oder gekünstelt sondern absolut authentisch! Das war wirklich gut und ich kann mich nur an ganz wenige Vorgruppen erinnern, die bei mir einen so positiven Eindruck hinterließen.
Und weil das so ist: das aktuelle Album „Great Western Valkyrie“ habe ich mir umgehend als Vinyl bestellt!
Deep Purple
So begeistert ich eben noch von der Vorband war (und noch immer bin!), so schnell war das vorübergehend vergessen, als DIE Band dann auf der Bühne erschien. Und auch wenn sie mich nicht per Handschlag begrüßten, so war es doch einmal mehr ein „Wie g… ist das denn“-Gefühl! Nach einem dramatisch-klassischen Intro aus der Konserve ging es wam-bam-thankyou-mam: „Highway Star“, „Bloodsucker“, „Hard Lovin’ Man“ und „Strange Kind of Woman“. Mit diesem brachialen Viererpaket zum Auftakt, in pausenlosem Übergang und ohne weitere Worte, überrollten Deep Purple das altersmäßig gut durchmischte Publikum. Dann eine kurze Begrüßung und der Hinweis von Ian Gillan, das nach diesen „experimentellen Jazz-Nummern jetzt der Country-Teil begänne“… mit „Vincent Price“! Ein immer wieder unglaubliches Tempo, eine Rasanz, Brutalität und Hingabe, als wäre dies bereits das Finale.
Ian Gillan ist dieses Jahr siebzig Jahre (70!) alt geworden und wir Endfuffziger („Jungspunde“) jammern über kaputte Knie oder zwickenden Rücken.
Angesichts dieser Bühnenperformance will ich dieses Thema in Zukunft erst einmal zurückstellen, toi toi toi!
Und die „Jungs“ wissen, mit ihren Kräften hauszuhalten. Weil Deep Purple, statt einen Gang zurückzuschalten, die Kräfte auf die jeweiligen Solonummern verteilen. Solange der eine Musiker sich in epischer Breite ausgießt, können die anderen verschnaufen, um hernach mit neuer Kraft loszulegen. Und da gibt es genug zu bewundern: Ian Paice darf sich mit Leuchtsticks am Schlagzeug austoben, Steve Morse schreitet auf hymnisch-ätherischen Gratwanderungen von einem Gitarren-Gipfel zum anderen und Don Airey zelebriert eine Salon-Tastenlöwennummer, bei der er sogar das Deutschlandlied verwurstet.
Und zu guter Letzt (im Zugabenteil!) zeigt Roger Glover allen Luftgitarristen, was man alles mit einer Bassgitarre spielen kann. Wahnsinn!
Der Sound war brillant, die Light- und Videoshow einfach und eindrucksvoll: auf einer Riesenvideowand hinter der Bühne wurde aus diversen Bühnenkameras und Einspielern das Geschehen auf der Bühne unterstützt und verstärkt. Leider war das Bild der Kameras nicht ganz synchron. Dies fiel zumindest vorne an der Bühne auf.
Die Songauswahl umfasste die bekannten Klassiker sowie drei Stücke vom letzten „Now What ?!“-Album. Für mich, wie so häufig, etwas unbefriedigend. Es gibt doch noch so viele andere tolle Nummern. Aus der Steve Morse-Zeit gibt es jede Menge Perlen und auch vom letzten Album hätte man durchaus noch den einen oder anderen Song spielen dürfen.
Nicht unbedingt „Above And Beyound“ als Widmung an Jon Lord, vielmehr „All The Time In The World“ oder „Body Lines“? Und von den ganz alten Sachen würden sich auch viele Fans über „Flight Of The Rat“, „Place In Line“ oder auch „Smooth Dancer“ freuen. Aber ich vermute, hier zollt man dem Mainstreamfan Tribut.
Letztlich wurde ich dann doch noch belohnt(?): vor der Halle versuchte sich nach dem Konzert ein Strassenmusiker an „Child In Time“. Es gibt Dinge, da sollte man die Finger von lassen. Ehrlich!
Von den T-Shirts der Strassenverkäufer konnte ich dann allerdings nicht die Finger lassen. Drinnen kosteten die offiziellen Tour-Shirts 25,-€ bis 30.-€. Vor der Tür der Halle fanden die Shirts der fliegende Händler für einen 10er reißenden Absatz.
Der Hardrock von gestern ist der von heute
Von Tino Lange (Hamburger Abendblatt)
Die Hardrock-Pioniere gaben 6000 Fans das Gewünschte: Zwei Stunden lang Klassiker, unterbrochen von dem einen oder anderen Solo.
Hamburg. Als Deep Purple 1984 das Comeback-Album "Perfect Strangers" veröffentlichte, unkten manche Kritiker schon über "Altherrenrock". Jetzt, 31 Jahre später, sind die britischen Hardrock-Urgesteine noch reifer geworden, aber immer noch nicht reif für die Rente.
Ob in Wacken im Jahr 2013 oder am Montag in der Hamburger Barclaycard Arena - Ian Gillan, Ian Paice, Roger Glover, Steve Morse und Don Airey gehen einfach raus und spielen, als müssten sie die legendäre Live-Platte "Made In Japan" von 1972 in den Schatten stellen. Das ist zwar unmöglich, aber "Highway Star", "Strange Kind Of Woman", "Space Truckin'" und "Smoke On The Water" brettern auch heute noch. Die 6000 Hamburger Fans freut es.
Zwischen die Klassiker streut Deep Purple mit "Vincent Prize", "Uncommon Man" und "Hell To Pay" noch Songs des aktuellen Albums "Now What?!" und natürlich noch das eine oder andere Solo für jeden mit Instrument, dann geht es nach zwei Stunden und "Black Night" wieder hinaus in die Nacht. Und falls Deep Purple mal nicht mehr ist, werden klasse Bands wie die Rival Sons aus dem Vorprogramm die Lücke füllen. Rock bleibt.