Iron Maiden
Maiden England 2013-Tour
19.06.2013, Hamburg, O2-World
Kaum eine andere Band hat das Genre „Heavy Metal“ so geprägt wie die „Eiserne Jungfrau“. Seit fast 40 Jahren, mit den üblichen Turbulenzen und Personalwechseln, rocken die Männer um Steve Harris die Hallen und Stadien der Welt.
Als im letzten Jahr die „Maiden England 2013“-Tour angekündigt wurde, da ereilte auch mich der Ruf. Diese Band wollte ich endlich einmal live erleben! Leider waren die Stehplätze bereits im November ausverkauft und ich musste mit Sitzplätzen gegenüber der Bühne vorlieb nehmen.
Auch wenn ich viele Iron Maiden-Alben besitze und einige ihrer Songs zu meinen Lieblingsstücken zählen, so bin ich definitiv kein eingefleischter Fan der Band, ich kann also nicht beim ersten Akkord jeden Song erkennen und gleich einsteigen. Vielleicht hätte mir das an diesem Abend geholfen?
Der erste Eindruck, als ich mit meinen Jungs die Halle betrat: das wird ja voll heute abend! Und tatsächlich sollten es (lt.Presse) fast 12.000 Zuschauer werden. Das hat schon was!!
Nachdem wir uns zu völlig überteuerten Preisen einen matschigen Cheeseburger und lauwarmes Bier geholt hatten, begann pünktlich die Vorgruppe:
Voodoo Six spielte bodenständigen Hardrock, ziemlich schnörkellos und irgendwo zwischen Iron Maiden und Black Sabbath. Als sie jedoch ihre Zeit herum hatten, gab es auch nicht viele Rufe nach Zugabe. Wie meinte Marcel? „Nicht schlecht, aber irgendetwas fehlt!“
Sah ich genauso und griff mir in der Umbaupause ein zweites Bier. Die tropischen Temperaturen forderten halt ihren Tribut!
Während die Roadies ackerten, wurden wir mit Deep Purple („Highway Star“ und „Fireball“) und Whitesnake („Still Of The Night“) bestens beschallt. „Hoffentlich kann Iron Maiden diesen Level halten?“ ging es mir dabei noch durch den Kopf.
Dann ging das Licht aus, aus den Lautsprechern dröhnte jetzt schon merklich lauter UFO mit „Doctor Doctor“. Wie ich später erfuhr, der übliche Einstieg bei Iron Maiden.
Und es ging los: klassische Musik, auf den Videowänden Bilder von kollabierenden Eisbergen, wieder Dunkelheit, blaues Lichtgewitter und dann…… Lärm!!!
An dieser Stelle ein Einschub, der für das gesamte Konzert gilt:
Es gibt da so eine Redensart: „Schlechte Musik wird nicht besser, wenn man sie lauter macht!“. Heute galt eher: „Gute Musik wird schlechter, wenn sie zu laut gespielt wird“. Auch wenn es nicht die eigentliche Lautstärke war. Wir saßen der Bühne gegenüber und der Sound war unterirdisch schlecht. Ein völlig undifferenzierter Lärmbrei, der hauptsächlich aus Bassfrequenzen, Stimme und Schlagzeug zu bestehen schien.
Ich hatte mich richtig auf die beiden berühmten Leadgitarren von Dave Murray und Adrian Smith gefreut… und hörte sie einfach nicht.
Teilweise hatten wir Mühe die einzelnen Songs rauszuhören. Das war echt nix und gemessen an dem Preis der Karten (74,60 € + VVK-Gebühr) eine Frechheit. Das es in dieser Halle anders geht, konnte ich z.B. bei Nightwish (noch mit Tarja Turunen) oder auch bei den Scorpions eindrucksvoll erleben. Von Rod Stewart oder Santana ganz zu schweigen, da diese Acts nicht in solche Dezibel-Bereiche vorstoßen. Aber Sound wie von CD ist mittlerweile in einem Konzert möglich!
Was blieb mir also übrig: sobald ich mir die Ohren zuhielt, wurden die Bassfrequenzen herausgefiltert und ich konnte zum ersten Mal die Gitarren hören….
Wer geht aber in ein Metal-Konzert und hält sich die Ohren zu… geht ja gar nicht!
Zurück zum Konzert:
Auf der Bühne zog die Band im wahrsten Sinne des Worte ein Feuerwerk ab. Sänger Bruce Dickinson rannte und kletterte auf und über die Bühne, als ob er nach Metern bezahlt würde. Die Gitarristen tobten und sprangen, als ob sie es allen noch beweisen müssten.
Dazu Laser, Pyrotechnik, Videos und Eddie in allen Inkarnationen. Besonders beeindruckend der mindestens drei Meter große Nordstaaten-Offizier-Zombie, der säbelschwingend zu „Run To The Hills“ über die Bühne stolzierte!
Die Show war wirklich spektakulär, jeden Cent des Eintrittsgeldes wert.
Und die Stimmung? Die eingefleischten Fans konnten auch in diesem Lärmbrei die Songs erkennen und gingen vom ersten bis zum letzten Akkord voll mit.
Headbangen bis zur Bewusstlosigkeit, immer wieder die rhythmisch in die Luft gestoßene „Pommes-Gabeln“ und nach den offen Mündern zu urteilen, wurde jeder Song laut und begeistert mitgesungen. Alleine… in diesem Lärm waren die Fans kaum zu hören.
So blieb mir am Ende ein zwiespältiges Gefühl: was hätte das für ein Konzert werden können?
Setlist
- Moonchild
- Can I Play With Madness
- The Prisoner
- 2 Minutes To Midnight
- Afraid To Shoot Strangers
- The Trooper
- The Number Of The Beast
- Phantom Of The Opera
- Run To The Hills
- Wasted Years
- Seventh Son Of A Seventh Son
- The Clairvoyant
- Fear Of The Dark
- Iron Maiden
Zugaben
- Aces High
- The Evil That Men Do
- Running Free
Nachdem ich jetzt im Netz die Berichte aus Frankfurt und Berlin gelesen haben, waren auch dort viele der Fans über den Sound entsetzt und fanden noch weit aus drastischere Worte.
Weshalb in den Presseberichten dieser Aspekt völlig fehlte…? Keine Ahnung.
Ob mich Iron Maiden noch einmal als Zuschauer erwarten können…? Wahrscheinlich nicht.
Für das Geld hole ich mir lieber „Flight 666“ als Blue Ray und eine Party-Pizza!
So rockten Iron Maiden die O2-World
(Quelle: Till Stoppenhagen, Hamburger Morgenpost vom 20.06.2013)
Dass Iron Maiden die Geschichte des Heavy Metal seit fast 40 Jahren maßgeblich mitbestimmt, merkte man den sechs Herren in den besten Jahren auch am Mittwochabend in Hamburg nur mit viel bösem Willen an.
Voller Spielfreude und mit einem bestens gelaunten, agilen Frontmann ließen die Londoner in der mit 12.000 Zuschauern knapp ausverkauften O2-World fast völlig vergessen, dass sie mittlerweile alle stramm auf die 60 zusteuern beziehungsweise diese Zahl schon überschritten haben. Und sie fuhren Song-Material auf, dass teilweise schon 31 Jahre alt ist.
Denn die „Maiden England World Tour“, mit der Maiden unterwegs sind, ist eine Neuauflage ihrer legendären „7th Tour Of A 7th Tour“, mit der sie Ende 80er auf ihrem kreativen Zenit in Riesenhallen und auf Festivals abräumten. Angereichert wurde das Programm mit einigen jüngeren Songs von Anfang der 90er.
Wer das seinerzeit auf VHS-Videocassette veröffentlichte Live-Video „Maiden England“ noch in Erinnerung hat, fühlt sich selig lächelnd ein Vierteljahrhundert in die Vergangenheit zurückgebeamt, als die Band zu den wuchtigen Akkorden von „Moonchild“ auf die Bühne kommt.
Die Bühnendeko mit der bizarren Eislandschaft, in der das zombiehafte Band-Maskottchen Eddie wütende Grimassen zieht, der rastlos umherspringende, immer noch athletische Sänger Bruce Dickinson – alles genau wie damals.
Spielerisch und gesanglich lassen die englischen Schwermetall-Malocher nichts anbrennen: Die „Eisernen Jungfrauen“ haben die Songs, die sie zum Teil seit Jahrzehnten nicht live gespielt haben, diszipliniert eingeübt – und ihr Publikum fest im Griff. Dickinson ist stimmlich immer noch eine Bank, auch wenn er bei seiner energischen Bühnenshow die eine oder andere Note verhaut. Dazu gibt’s einen Sack voll ewiger Publikums-Favoriten wie „Two Minutes To Midnight“, „The Prisoner“ und „The Trooper“ , Flammensäulen, das epische „Seventh Son Of A Seventh Son“ mit einem riesigen Plastik-Eddie, der hinter dem Schlagzeug aufragt: Genau das, was man will als Fan, der allmählich in die Jahre gekommen ist – ganz im Gegenteil zu dieser Band.
Ehrliche Haut, mächtig laut
Die britische Heavy-Metal-Band Iron Maiden begeisterte 12.000 Fans in der seit Wochen ausverkauften O2 World mit einem Retro-Programm
(Quelle: Holger True, Hamburger Abendblatt vom 20.06.2013)
"Scream for me, Hamburg!" Wie viele Tausend Male Sänger Bruce Dickinson diesen Satz wohl schon gebrüllt hat. Mit jeweils anderem Ortsnamen natürlich, aber immer im gleichen Duktus: Ich bin hier, wo seid ihr, wir wollen die Sau rauslassen heute Nacht! Auch in der seit Monaten ausverkauften O2 World ist sofort Partystimmung angesagt, als Iron Maiden nach dem üblichen Intro (seit Jahr und Tag "Doctor Doctor" von UFO) auf die Bühne stürmt. Wobei: "Iron Maiden" sagt hier niemand. Dickinson, Bandchef Steve Harris und all die anderen sind schlicht "Maiden", keine abgehobenen Stars, sondern Kumpel irgendwie, die einen durch die Jugendzeit begleitet haben, die den Gegenentwurf zu Hip-Hop, Techno oder Grunge lieferten und denen man auch ein paar schwächere Platten nachgesehen hat.
Wie treu die Fanbasis ist, zeigt sich nicht nur an den Ticketverkäufen, sondern auch am Merchandise-Umsatz. Trotz hoher Preise (30 Euro für ein Tourshirt, 100 Euro für ein Hockeytrikot mit Bandaufdruck) sind die Stände umlagert. Der Gesamtwert der in der Arena zur Schau getragenen Shirts dürfte konservativ geschätzt bei einer Viertelmillion Euro liegen, denn wer sich hier nicht qua Outfit zu den Urvätern der New Wave Of British Heavy Metal bekennt, ist klar in der Minderheit. Und wer sich von dem, was er an diesem Abend geboten bekommt, nicht vollkommen begeistern lässt, auch. Nachdem Iron Maiden zuletzt ihr doch einigermaßen kontrovers diskutiertes Album "The Final Frontier" auf einer Tour vorstellte, ist jetzt Retro total angesagt. Heißt: keine neuen Stücke, sondern in Sachen Bühnenshow und Songauswahl eine leicht geliftete Version der längst legendären 88er-Setlist.
Heißt: Kracher wie "Moonchild" , "Can I Play With Madness", "The Trooper" oder "2 Minutes To Midnight" hintereinander weg. Heißt: Euphorie und Mitgrölmodus ab Minute eins. Lediglich bei "Afraid To Shoot Strangers", eine ruhige Nummer, die die Gedanken eines Golfkriegssoldaten beschreibt, dessen Kampfeinsatz unmittelbar bevorsteht, kehrt etwas Ruhe ein. Ansonsten wird gefeiert, als sei wieder 1988, als würde das T-Shirt noch nicht über dem Wohlstandsbauch spannen und als wäre "Running Free" nicht nur eine verführerische Fantasie, sondern tatsächlich eine Option.
Dazu knallen die Funkenfontänen, schiebt sich Band-Maskottchen Eddie auf die Bühne und fordert Bruce Dickinson einmal mehr, man solle für ihn – genau – schreien. Überraschend ist das alles nicht, ein großer Spaß aber schon.
Dem Ehrliche-Haut-Image werden die Mittfünfziger mit Working-Class-Background jedenfalls mal wieder gerecht. Auch wenn sie natürlich längst vielfache Millionäre sind und ihre Freizeit gern auf dem Golfplatz verbringen. Da lässt es sich wohl verschmerzen, den Sprung nach ganz ganz oben, dorthin wo sich etwa Metallica tummelt, nie geschafft zu haben. Aber für diesen Platz an der Kommerzsonne ist Iron Maiden schlicht zu schlicht. Harris und seine Männern sind Arbeiter, exzellente Handwerker, doch sie sind nicht cool. Ihre Tätowierungen sehen aus wie selbst gestochen, ihr Kleidungsstil ist so unspektakulär, dass maximal ein Jogginghosen-Produzent mit ihnen werben könnte und vor allem hatten sie – anders als Metallica mit "Nothing Else Matters" – nie einen Überhit, der auch in der letzten Dorfdisco noch zum Standardrepertoire gehört.
Überlegungen, die in der O2 World aber niemand anstellt. Als nach knapp zwei Stunden das Hallenlicht wieder angeknipst wird, herrscht rundum Zufriedenheit. Vom Band läuft Monty Pythons "Always Look On The Bright Side Of Life", auch das hat Tradition, und entlässt 12.000 Fans in die warme Sommernacht. "War wie immer" heißt in diesem Fall. "War super." Jetzt noch schnell ein Shirt abgreifen, dann nach Haus. Ende gut alles gut. Und im nächsten Jahr gerne wieder.