Rock Op’n Dörp
09.12.2006, Hartenholm, Sporthalle
„The Sweet in Hartenholm? Und Wishbone Ash? Suzi Quatro auch??“
Das waren so die Wortfetzen die ich beim Bäcker auffing. The Sweet hatte ich sowohl in ihren großen Zeiten zwischen 1972 und 1977 als auch in späteren Jahren mehrfach gesehen. Eine richtig gute Liveband, bei denen immer die Post abging (viel besser als die Singlehits vermuten ließen).
Wishbone Ash machten neugierig und Suzi Quatro… na gut, kann man sich ja mal anschauen. Und das ganzen für nur 22.-€ Eintritt!
Also machten wir uns an einem saukalten Dezemberabend auf den Weg nach Hartenholm. Dort fand die Riesenparty zum Aufstieg des TC Logopak (Tennis!) in die 2.Bundesliga statt und das Rahmenprogramm wurde durch den Logopak-Firmenchef gesponsort.
Als Headliner sollten demnach auftreten
Suzi Quatro
The Sweet
Wishbone Ash
Heinz-Rudolf Kunze
sowie
Mike Krüger
Dave Ashby
Funky Chicos
Na gut, Herr Kunze hatte schon abgesagt. Dafür wurden dann noch Fräulein Menke und Geier Sturzflug aufgeboten.
Vor der Mehrzweckhalle war ein riesiger Catering-Bereich aufgebaut, das Essen war dort sehr lecker (wenn auch nicht billig) und die Stmmung recht gut.
Mike Krüger war einfach gut. Ich war nie ein großer Fan von ihm und sein Humor ist (vorsichtig formuliert) sehr simpel, als er allerdings die uralten Nummern wie „Bundeswehrsoldat“ oder „Mein Gott, Walther“ spielte, da verzieh ich ihm auch den „Nippel“. Und das Beste: er spielte live und begeisterte das Publikum.
Dann Dave Ashby. Wenn Status Quo schon vorgehalten wurde, mit nur drei Akkorden auszukommen, was soll man denn zu Herrn Ashby sagen? Schwamm drüber! Aber auch dies war noch live!!
Und dann kamen die, auf die ich gewartet hatte: Sweet!
Natürlich spielt von der Ur-Besetzung nur noch Andy Scott in der Band. Allerdings hatte er sich über die Jahre immer gute Musiker an Bord geholt und ich konnte sie noch anlässlich der „A“-Tour 1992 erleben, und das war ein grandioser Auftritt. Was jetzt passierte, das war der gespielte Witz. Die kurze Umbaupause hätte mich schon warnen sollen und bereits nach wenigen Takten, in denen sich die Band nicht einmal Mühe gab synchron auf die Instrumente zu schlagen, war für mich der Abend gelaufen. Vollplayback auf großer Bühne! Das Publikum (vermutlich schon voll des süssen Mostes) schien davon nichts zu bemerken und klatschte wie in der ZDF-Hitprade mit. Dann die „Zugabe“. Da die Tontechnik offenbar ebenso breit wie das Publikum war, starteten sie „Blockbuster“ vom Band bevor die Gruppe auf der Bühne stand. Als dann der Gitarrenriff einsetzte, hatte die Band die Instrumente noch nicht einmal in der Hand. Ich ging raus um mir ein Bier zu holen.
Der Rest des Abends ist schnell erzählt: Suzi Quatro war ebenso schlechtes Playback wie Fräulein Menke (fand ich nur peinlich!), die Band Geier Sturzflug bestand nur noch aus zwei Mann und playbackten ebenfalls nur rum. Und zwischendurch immer wieder Herr Ashby. Ach ja, und dann war da noch der Moderator. Ein XXL-Jahrmarktsschreier, der immer wieder daraufhinwies, dass ja alles fürs Fernsehen gefilmt wird und ob wir denn „auch so gut drauf wären“. Den Fernsehbericht konnte man dann ein paar Wochen später als Dauerwerbesendung auf Hamburg1 (ein regionaler Sender aus….? Richtig!) sehen. Dort fiel der Playback-Beschiß durch geschickte Schnitte kaum noch auf.
Und der Abend wäre restlos im Eimer gewesen, wenn nicht ganz zum Schluß die Lieblingsband des Veranstalters aufgetreten wäre!
Chris Hastings-Long, Chef der Firma Logopac Systeme, hatte die Band in seiner Studentenzeit kennengelernt und irgendwie war der Draht wohl nie abgerissen. Und deshalb traten sie zum Schluß auf separater Bühne live auf! Das war Rock vom Feinsten. Den Hartenholmern war das dann auch prompt zu laut, zu schnell, zu wild…. was auch immer …. und der Sall leerte sich schnell in Richtung Bierpilze. Na klar, hier war nix mit Dieter-Thomas-Heck-Mitklatsch-Mucke, hier ging endlich die Post ab. Knapp 45 Minuten gab es richtig gute Musik auf die Ohren.
Als dann im Anschluss noch eine brasilianische Sambatruppe durch den Saal tanzte, da hatten auch die Augen ihren Spaß.
Aber für mich als altem Sweet-Fan war der Abend natürlich fast völlig daneben, so viele gute Erinnerungen wurden da zerstört! Ich glaube, man sollte sich Auftritte dieser Band nur unter schriftlicher Live-Garantie antun. Soviel Bier gibt es gar nicht, wie ich hätte trinken müssen um den Frust zu vergessen!
Aber was soll’s, „das Läbbe geht weiter!“
P.S.
Offenbar hatten die Veranstalter auch aus den Presseberichten gelernt. Auf den folgenden „Rock Op’n Dörp“-Veranstaltungen wurde ausnahmslos live gespielt! Da ich das aber nicht glauben wollte, war dieses meine erste und letzte Rock Op’n Dörp-Veranstaltung. C’est la vie!
(Quelle: Hamburger Abendblatt v. 12.12.2006)
"Mensch, Suzi Quatro, die sieht ja noch aus wie früher." Der gestandene Mitfünfziger kann sich gar nicht halten vor Begeisterung. "Und ihre Stimme, überhaupt nicht verändert." Tatsächlich, die knackige Sängerin aus Detroit ist der lebende Beweis, dass auch Damen im Alter von 56 Jahren als Rockerbraut noch eine gute Figur machen können. Ob sie auch noch gut bei Stimme ist, lässt sich in der Hartenholmer Mehrzweckhalle allerdings nicht wirklich feststellen: Als sie sich nach dem ersten Song für den Applaus bedanken will, kommt kein Ton aus den Boxen - das Mikro ist abgeschaltet.
Peinlich, aber nicht weiter schlimm: Bis auf wenige Ausnahmen singt an diesem Abend keiner der Interpreten live.
"Rock op'n Dörp" nennt Chris Hastings-Long, Chef der Firma Logopac Systeme, diese Veranstaltung, die eigentlich eine Weihnachtsfeier für seine Mitarbeiter und den Tennisclub Logopac Hartenholm sein soll. Angesichts der musikalischen Dimensionen allerdings bietet er 1500 Menschen die Möglichkeit, das Oldie-Konzert mitzuerleben. Und die freuen sich über ein enormes Spektakel: Im Eiltempo hecheln sich die Interpreten durch die Musikgeschichte.
Mike Krüger kalauert sich durch das Programm, die Band Sweet wartet mit ihren größten Hits auf, Geier Sturzflug, eine auf zwei Personen geschrumpfte Rumpfband, darf zwei Lieder zum Besten geben, Fräulein Menke ebenfalls. Fast alles Konserve (Krüger singt live), aber egal: Die Stimmung steigt, die Organisation ist perfekt.
Der Hamburg-1-Moderator Andreas Ellermann, ein Mann im King-Size-Format, überbrückt im Stile eines Jahrmarktschreiers einige kleine technische Pannen souverän. Dave Ashby als Anheizer muss mehr singen als gedacht, weil er Pausen überbrücken soll. Das macht der Sänger und Gitarrist natürlich souverän: Allen ist sein überschaubares Repertoire bestens bekannt, aber er reißt die Menge mit. Suzi Quatro bringt den Song "Rockin' in the free world" aus ihrem neuen Album, bevor sie mit ihren alten Hits den Saal zum Toben bringt.
Höhepunkt des Abends dann der Auftritt von Wishbone Ash: Tatsächlich handgemachte Livemusik, die wegen ihrer Komplexität jedoch nicht so recht zum eher hemdsärmeligen Stil des Abends passt. Viele Zuschauer nutzen diese Gelegenheit und gehen zum Luftschnappen ins Vorzelt, wo es Getränke und Speisen gibt.
Toll übrigens die Band Foxie B aus Hamburg. Deren Sänger Buttsche Reinecke kauderwelscht sich zwar ohne störende Text- und Englischkenntnisse durch die Lieder, aber er klingt wie Joe Cocker und Van Morrisson zusammen - live und leider schlecht ausgesteuert.
Es war eine Menge los in Hartenholm. Wie will Chris Hastings-Long diesen Abend noch übertreffen? Die Zuschauer dürfen gespannt sein, welche Dimensionenen seine Weihnachtsfeiern in den nächsten Jahren annehmen.