Achim Reichel
25. August 2003, Hamburg, Fischauktionshalle
Ich habe jetzt vier Tage gewartet, um diesen Bericht zu schreiben. Hätte ich mich gleich nach dem Konzert hingesetzt, dann wären es zwei Seiten „suuuuper“, „waaaaahnsinn“, „mehr mehr mehr“ geworden. Damit hätte man nicht viel anfangen können, oder?
Also: Fakten, Fakten und an die Leser denken!
Achim fing kurz nach Acht an und wir wankten kurz vor Zwölf völlig erschöpft, heiser, klitschnass und mit wunden Händen hinaus.
Dazwischen lag eines der besten Konzerte, die ich je erlebt habe. Die ersten 90 Minuten wurden bestimmt von den ruhigeren, akustischen Stücken, die Achim aus den „Volkslieder“-Alben ausgewählt hatte. Unterstützt von Musikern der Extraklasse (ich habe mir leider die Namen nicht notiert, sorry Jungs!), ließ Achim nur hin und wieder die Muskeln spielen. Dementsprechend verhalten reagierte auch das Publikum. Es war, wenn man so will, der Teil zum Zuhören mit Stücken wie „Trutz Blanke Hans“, „Erlkönig“, „Een Boot is noch buten“, „Die Ballade von der Loreley“ und der unglaublich schönen „Regenballade“. Nach diesen 90 Minuten hätte man nach Hause gehen können und es wäre ein tolles „Hör“-Konzert gewesen.
Nach einer 15-minütigen Pause dann die Sensation: auf der Bühne trafen sich nach 38 Jahren, zum ersten Mal wieder in der Original-Star-Club-Besetzung, die Rattles! Und jetzt gab es im Publikum kein Halten mehr. Ich bin ja eigentlich für diese Songs zu jung (ich war damals fünf!), aber alter Schwede! Weshalb haben wir eigentlich Status Quo gehört, wenn es die Rattles schon gab. Die Songs wie „Come On And Sing“ und „Bye Bye Johnny“ kamen live unglaublich gut rüber!
Danach begab sich Achim mit uns auf eine Zeitreise durch seine Karriere und es blieb eigentlich kein Wunsch offen. Wir mussten nachher wirklich überlegen, welchen Hit hat er nicht gespielt (na ja, ein oder zwei fielen uns schon ein…). Vom 68er „Moscow“, dem Rock’n’Roll-Medley aus dem Shanty Album („Hamborger Veermaster/Rolling Home/Drunken Sailor“) über „Kuddel Daddel Du“, „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“,.„Steaks und Bier und Zigaretten“ und dem unverwüstlichen „Aloha Heja He“: es war alles dabei!
Als absoluter Höhepunkt kamen am Ende (und jetzt festhalten!) Inga Rumpf, Klaus Lage, Heinz-Rudolf Kunze, Lotto King Karl, Pe Werner, Stoppok, Jan Fedder und Piet Klocke für eine Wahnsinns-Version von „Hart am Ball“ auf die Bühne.
Völlig erschöpft wollte ich mir dann (es war ja zu Ende!!) noch ein Bier holen, viele Fans waren schon auf dem Weg zum Auto, da kam Achim noch einmal alleine auf die Bühne und spielte das ganz neue und noch nicht veröffentlichte „Leben leben“. Ein Text wie ein Traum, besser kann man kein Konzert beenden. Danke Achim Reichel!
P.S.
Für solche Abende lohnt es sich zu leben!
"Unsere Musik bedeutet den Leuten wirklich was"
(Quelle: Stefan Krulle in “Die Welt” v. 27.08.2003)
Man sieht es nicht, man hört es nicht, man weiß es nur: Er ist wirklich schon so alt. Mit knapp 60 auszuschauen wie Reichels Achim, das brauchen wir uns schon mit 40 nicht mehr vorzunehmen ‑ zu spät. Wie nach zwei Jahren Ferien griente das Hamburger Rockdenkmal von der Bühne der Fischauktionshalle und dort von Bildschirmen bis in die letzten Ecken des backsteinernen Gemäuers.
Achim hatte was zu feiern. Als die Republik dem Kriegsende noch näher war als dem Milleniumswechsel, wurde er mit den Rattles in Hamburgs Starclub zur "besten Rock'n'Twist Band" zwischen Flensburg und Passau gewählt. Und seither ist viel passiert - Zeit für eine Rückschau mit Freunden, von den Original-Rattles bis zu Jan Fedder, Stoppock und Klaus Lage.
Am nächsten Morgen trugen wir ein zufriedenes Lächeln im Gesicht, denn Achim enterte die fest vertäute "Hamburg" und hatte sich noch nicht alle Falten aus dem Antlitz und Beläge von den Stimmbändern gefrühstückt. Dreieinhalb Konzertstunden zeichnen eben sogar den unkaputtbaren Zeremonienmeister. Viele der Fans vom Vortage mochten wir uns allerdings auch gerade nicht vorstellen. "Ooch, ja, doch, toll", sagte Achim, habe er den Abend gefunden. Vielleicht sollte Hamburg mal Reichels Geburtsort Wentorf eingemeinden. So ganz langsam kehrten dann bei Kaffee und Elbblick die Lebensgeister zurück, und Achim wusste immer mehr und immer bessere Gründe zu benennen, die ihn über vier Jahrzehnte an der Oberfläche gehalten hätten.
Wenn er selbst jetzt so die Jahre zähle, "dann staune ich oft doch sehr; dass es mich als Sänger noch immer gibt. Inzwischen kann ich mir aber vorstellen, dass wir uns hier in 20 Jahren wiedersehen und alle noch das Gleiche machen". Für uns wollen wir da lieber nicht die Hand ins Feuer legen. Irgendwann, sagt Achim dann, als damals so die ersten Flausen aus dem Kopf waren bei ihm, da hat er sich mal angeguckt, wie die Leute vor ihm im Saal stehen, "und ich sah nur in so glückliche, entrückte Gesichter. Da wusste ich: Unsere Musik bedeutet den Leuten wirklich was, und die kannst du dir ja nun auch nicht aus dem Automaten ziehen." Das stimmt. Wenn Reichel mit seiner Band "Wir lagen vor Madagaskar" intoniert, als sei der Rock'n'Roll direkter Nachfahre der Shanties, wenn er vom "Spieler" oder "Erlkönig" singt und auch von der "Exxon Valdez", dann sind das inzwischen knorrige Cover‑Versionen seiner eigenen Hits und bleiben dennoch unverwechselbar. Wie ihr Interpret.
"Ich möchte das sein, was ich mache und mir nicht ein Image ausdenken, dem ich dann ewig entsprechen muss", sagt Reichel, und solche Sätze klingen nur von ihm unpeinlich. Weil er sich auch mal aufregen kann, "lieber gehe ich doch drei Mal in die Große Freiheit, als einen Abend in die Color Line Arena. In solchen Hallen ist meine Musik nicht entstanden, da werden bloß Materialschlachten geführt, und hinterher ist Kassensturz." Pfui! Da feierte Achim lieber gestern Abend zum zweiten Mal in der schön patinierten Halle am Hafen. Pünktlich zu seinem Sechzigsten am 28. Januar erscheint das Konzert auf CD und DVD. Das wäre wieder so ein Grund zum Feiern. Aloha-He!
Achim Reichel spielte für seine Freunde
(Quelle: caro in “Hamburger Abendblatt” v.27.08.03)
Es war der zweite große Abend für ihn und diesmal feierten ihn seine Freunde. Sie waren unter den 2500 Fans beim Jubiläumskonzert von Achim Reichel, Der 59-jährige war dahin zurückgekehrt, wo er aufgewachsen ist.
Der Musiker ist ein Hamburger Jung vom Kiez. Seine Schule war dort, wo heute die Astra‑Brauerei steht. Mit seinen Klassenkameraden spielte er auf dem Fischmarkt. „Vom Anleger vor der Fischauktionshalle sind wir in die Elbe gesprungen. Das war eine Mutprobe." Gestern begeisterte Reichel in der Fischauktionshalle mit seinen großen Hits das zweite Konzert anlässlich seines 40. Bühnenjubiläums. Gefeiert wurde so, wie es ihm gefällt. Rockig.
„Großstadtrevier"-Schauspieler Peter Heinrich Brix (49) klatschte, Kollegin Katja Studt (29) wippte mit, Pianist Gottfried Böttger (53) und seine Frau Jasmin (42) waren extra aus Frankfurt angereist. Nur einer kam nicht. Achim Reichel hatte seinen Kumpel aus Star-Club-Zeiten; Ex-Beatle Sir Paul McCartney (61), eingeladen - allerdings auch gleich klargestellt „Ich mach mir keine großen Hoffnungen, dass er wirklich kommt."
Dabei waren u. a.: Clemens Teichmann (NDR), Entertainer Bill Ramsey (71), Komiker Günther Willumeit, Schauspieler Volker Lechtenbrink (59) und Blödel-Star Karl Dall (62). Nach dem Konzert gab’s noch eine „Aftershow-Party”.