Spät, aber nicht zu spät….

Elton John

Wonderful Crazy Night Tour

05.12.2017, Barclaycard Arena, Hamburg

Die Überschrift ist nicht nur doppel-, nein: sogar trippeldeutig… falls es den Begriff überhaupt gibt.

Zunächst wollte Sir Elton bereits im Sommer in Hamburg auftreten. Allerdings kam ihm, wie vielen anderen, der G20-Gipfel dazwischen.

Zum Zweiten muss der erfahrene Konzertgänger ja nicht mehr auf die Karten schauen. Konzerte fangen ja immer um 20:00 Uhr an! Und während Mann noch mal ganz entspannt „für kleine Jungs“ geht,  hört er (also ich!) richtig starke Musik, eine echt geile Live-Version von „Bennie & The Jets“.

„Das hört sich ja an wie… der hat doch noch nicht angefangen….?!“

„Der“ hatte tatsächlich schon angefangen!

Ein rechtzeitiger Blick auf die Karte, und wir wären nicht erst beim zweiten Song auf unseren Plätzen gewesen…

Und zum Dritten: Elton John war ein Künstler, den wir auch endlich einmal live sehen wollte. Während man aber neulich Neil Diamond doch schon deutlich sein fortgeschrittenes Alter ansah und auch anhörte, so strotzte Elton John an diesem Abend stimmlich und musikalisch richtiggehend vor Kraft.

Insofern galt es dreimal: spät, aber nicht zu spät! Hier fand nämlich ein richtiges Rockkonzert mit fettem Sound und ganz vielen Höhepunkten statt!

Ein Hit jagte den nächsten, hin und wieder unterbrochen von ruhigen Nummern oder richtig tollen und ausufernden Improvisationen.

„Rocket Man“ schien fast 10 Minuten zu dauern und die intensive Version von „Levon“ machte wirklich Druck… pure Rockmusik und für den Gitarristen Davey Johnstone (immer noch die gleiche Frisur wie in den 70ern???) die Gelegenheit, sich richtig auszutoben! Oder „Tiny Dancer“! Für mich immer ein Song, den man hören konnte, mehr aber auch nicht. Im Konzert entwickelte der Song heute Abend eine ganz eigene Kraft. Einfach nur beeindruckend!

Dann der berührende Moment, in dem Elton John vom Tod seiner Mutter am Vortage erzählte und ihr „Your Song“ widmete.

Ein Meer aus Handy-Lampen zu „Your Song“

Musikalisch und vom Sound war das damit eines der besten Konzerte, die ich bisher gesehen habe. Was die Show anging… die war eigentlich nicht vorhanden. Eine schmucklose Bühne mit einer Videowand im Rücken, die verschiedene Hintergründe passend zu den Songs zeigte, dazu rechts und links oberhalb der Bühne zwei Videowände, auf denen die Musiker gezeigt wurden.

Damit war der Fokus eindeutig auf die Musik gerichtet und das reichte auch völlig aus.

Trotz des Trauerfalls, schien Elton John, ebenso wie seine großartige Band, das Konzert zu genießen.

Die Musiker, insbesondere Matt Bissonette (bg) und Davey Johnstone (g) scherzten miteinander, gingen auf das Publikum ein und sogar Elton John nutzte eine kurze Pause, um den Fans in der ersten Reihe Autogramme zu geben.

Autogramme für die Fans in der ersten Reihe!

Setlist:

  • The Bitch Is Back
  • Bennie and the Jets
  • I Guess That’s Why They Call It the Blues
  • Take Me to the Pilot
  • Daniel
  • Looking Up
  • A Good Heart
  • Philadelphia Freedom
  • I Want Love
  • Goodbye Yellow Brick Road
  • Tiny Dancer
  • Levon
  • Rocket Man (I Think It’s Going to Be a Long, Long Time)
  • Have Mercy on the Criminal
  • Sorry Seems to Be the Hardest Word
  • Your Song
  • Sad Songs (Say So Much)
  • Don’t Let the Sun Go Down on Me
  • I’m Still Standing
  • Crocodile Rock
  • Your Sister Can’t Twist (But She Can Rock ’n Roll)
  • Saturday Night’s Alright for Fighting

Zugabe:

  • Candle in the Wind

Als Elton John dann nach knapp zwei Stunden alleine am Klavier „Candle In The Wind“ als letzten Song spielte, da hätte es von mir aus noch zwei Stunden weiter gehen dürfen.

Und wenn es überhaupt einen Wermutstropfen gab: ich hätte gerne noch ein paar Songs von meinem absoluten Fav-Album „Captain Fantastic“ gehört…

Aber es gibt noch soooo viele Songs. Also wird es ein Wiedersehen geben müssen. Er hatte es heute Abend sogar versprochen!

Der Schlussakkord!
Pressestimmen

Elton John verzaubert Hamburg

Ein großer Sänger, ein großer Songwriter, ein großer Musiker: Am Dienstagabend hat Superstar Elton John Tausende Fans in der Hamburger Barclaycard Arena auf eine epische Reise mitgenommen - von Hit zu Hit durch fast fünf Jahrzehnte seiner unvergleichlichen Musikkarriere.

Bis zuletzt war nicht klar, ob Elton John sein im Juli abgesagtes Konzert wirklich geben würde. Die erste Show in Hamburg nach sieben Jahren - und das einen Tag nach dem Tod seiner Mutter Sheila. Auf Twitter schrieb er am Montagmorgen: "Ich bin schockiert (...) Vielen Dank für alles. Ich werde dich so sehr vermissen." Jahrelang hatten Mutter und Sohn nach einem Streit keinen Kontakt miteinander. Nach ihrem 90. Geburtstag dann die Versöhnung und zwei Jahre später ihr Tod. Wer hätte es dem Weltstar da verdenken können, im Stillen zu trauern. Stattdessen schien er seinen Schmerz mit auf die Bühne zu bringen, in Musik zu hüllen und zu einem emotionalen Feuerwerk zu verwandeln. Um 19.36 Uhr war für die fast ausverkaufte Halle klar:

"The Bitch Is Back"

Gelbe Sonnenbrille, ein Hemd in Magenta, Pailletten-bestickter Longblazer mit Flamingos auf dem Rücken, pinke Schuhe, fetter Brilli im Ohr - ganz der gewohnte Paradiesvogel, stürmt er auf die Bühne und beweist ein Mal mehr: 70 Jahre hin oder her, die Zeit scheint für ihn keine Rolle zu spielen. 1998 hat die Queen ihn zum Ritter geschlagen und fast 20 Jahre später nimmt Sir Elton John immer noch die größten Konzerthallen auseinander. Für den rockigen Startschuss mit "The Bitch Is Back" und "Bennie and the Jets" gibt's vom Publikum tosenden Applaus und Standing Ovations. Niemand nimmt dem britischen Musikgenie seine spontane Absage im Juli krumm. Wegen des G20-Gipfels hatte sein Jet nicht in Hamburg landen dürfen. Trotzdem entschuldigt er sich kurz. "Endlich sind wir da. Ich hoffe, ihr genießt es", brummt er ins Mikrofon. Nur um dann sofort wieder zu "I Guess That's Why They Call It The Blues" und "Take Me To The Pilot" leidenschaftlich auf die Tasten des riesigen Flügels einzudreschen. Er ist eben ein ...

"Rocket Man"

Dass der Meister und seine fünfköpfige Band aber noch viel mehr können als "nur" Gas zu geben, wird spätestens bei souligen Nummern wie "A Good Heart" klar - seinem Lieblingssong vom aktuellen Album. "Oh it's a good heart to be a part of" schmettert Elton John und die gesamte Barclaycard Arena zerfließt unter dem Klang seiner einzigartigen Stimme. Dass die aber auch nur eine der vielen musikalischen Komponenten ist, die diesen Mann zu einem solchen Ausnahmetalent machen, beweist er mit einem grandiosen Piano-Solo in "Levon". Sein Publikum kann sich kaum noch auf den Stühlen halten und als er dann auch noch fließend in eine epische Version des Megahits "Rocket Man" übergeht interessiert es niemanden mehr, dass dieses Konzert eigentlich mal zum Sitzen gedacht war. Mit den Worten "Ihr seid fantastisch" bedankt sich Sir Elton. Die Konzertenergie scheint ganz in seinem Sinne zu sein, denn:

"I Want Love"

Schon immer hat Elton John Geld gespendet und sich politisch positioniert. Auch dieses Konzert verstreicht nicht ohne ein klares Statement: "Wir leben aktuell in einer sehr gemeinen und bösen Welt." Dabei bezieht er sich auf die jüngsten Attentate, den allgegenwärtigen Hass, aber auch auf das Fehlen wahrer Führungspersönlichkeiten. Für den Satz "Wir haben momentan in keinem Land einen respektablen Anführer" erntet er tosenden Applaus. Als Musiker würde er sich wünschen, dass die Menschen liebevoll zusammenrücken, sagt er und widmet "I Want Love" als nächsten Song "denen, die lieben".

Nicht die einzige Nummer, die der Pop-König an diesem Abend jemand Besonderem widmet. Nach der Hälfte des Konzerts scheint er bereit zu sein und berichtet den mitfühlenden Fans von seinem Verlust. Die ganze Zeit habe er überlegt, wie er seine Mutter an diesem Abend würdigen könnte. Entschieden hat er sich letztendlich für eine ergreifende Version des Evergreens "Your Song". 1969 soll er die Melodie innerhalb von zehn Minuten komponiert haben. Der Text dazu ist am Frühstückstisch seiner Mutter entstanden - auf ein fettiges Blatt Papier mit Kaffeeflecken gekritzelt. Dieser Song wurde Elton Johns erster ganz großer Hit. Was wäre also passender als ihn am Dienstagabend in Hamburg für seine Mutter zu singen? Wenngleich dieser Moment den emotionalen Tiefpunkt des Abends markiert, kippt in keiner Sekunde die gesamte Stimmung. Vielmehr kreiert der Megastar ein kurzes kollektives Innehalten, um dann mit Klassikern wie "Crocodile Rock", "Don't Let The Sun Go Down On Me" und "I'm Still Standing" wieder Tanzvibes zu verbreiten. Sein Publikum groovt, singt, klatscht und genießt den lang ersehnten Konzertabend.

"Candle In The Wind"

Und als wären das alles noch nicht genug Hits, Emotionen und Höhepunkte gewesen, spendiert Elton John als Zugabe das berühmte "Candle In The Wind". Ursprünglich hatte er den Song für Marilyn Monroe geschrieben, aber 1997 sang er ihn auf der Beerdigung seiner Freundin Prinzessin Diana in der Westminster Abbey mit einem neuen Text. Die Single verkaufte sich am ersten Tag danach über 650.000 Mal, in der ersten Woche 1,5 Millionen Mal und heute ist sie mit 4,75 Millionen die meistverkaufte Single aller Zeiten. Gemeinsam mit den Tausenden Fans am Dienstagabend singen wir nun "And your footsteps will always fall here", lieber Elton. Wir nehmen dein Versprechen, noch einmal wiederzukommen, sehr ernst.

Elton John gedenkt seiner Mutter bei Konzert in Hamburg

Von Heinrich Oehmsen, Hamburger Abendblatt v. 05.12.2017
Der Weltstar raste von Hit zu Hit. Dann wurde es ergreifend: Am Tag nach dem Tod seiner Mutter widmete er ihr einen besonderen Song.

Hamburg.  Kommt er? Oder kommt er nicht? Ganz sicher war sich die Konzertagentur Karsten Jahnke nicht, ob Elton John sein im Juli abgesagtes Konzert am Dienstag nachholen würde. Erst am Montag war die Mutter des britischen Popstars im Alter von 92 Jahren gestorben. Auf Twitter hatte Sir Elton ihr "eine gute Reise" gewünscht, doch es war nicht klar, wie er mit der Todesnachricht umgehen würde.

Als sein Privatflugzeug am Nachmittag in Fuhlsbüttel landet, ist klar: "The Bitch Is Back". Um 19.36 Uhr kommt Elton John auf die Bühne der Barclaycard-Arena. Wie gewohnt im Outfit eines Paradiesvogels: Sonnenbrille, magentafarbenes Hemd, langgeschnittenes Glitzerjacket, pinkfarbene Schuhe – und einen dicken Brilli im Ohr.

Mit "The Bitch Is Back", dem Klassiker aus dem Jahr 1974, legt er gleich mächtig los. Als "bitch", abfälliger britischer Ausdruck für "Schlampe", bezeichnet Elton John sich selbst. Wer ihn als Schnulzensänger abtun möchte, wird schon bei den ersten Takten eines Besseren belehrt. Sir Elton, 1998 von der Queen zum Ritter geschlagen, rockt die fast ausverkaufte Halle.

Drummer Nigel Olsson, seit den späten 60er-Jahren der Trommler an Johns Seite, und Perkussionist John Mahon prügeln auf Becken und Felle, was das Zeug hergibt. Und Sir Elton haut auch nicht gerade feinfühlig in die Tasten, sondern bearbeitet sie im Stakkato.

Elton John entschuldigt Absage wegen G20-Gipfel

Mit dem ersten Takt springt das Publikum von den Sitzen der komplett bestuhlten Arena und feiert das Idol von der britischen Insel. Elton John ist bei seinen Auftritten seine eigene Musikbox. 450 Millionen Platten hat er seit Beginn seiner Karriere verkauft und in den fast fünf Jahrzehnten seiner Karriere mehr Hits geschrieben als die meisten Pop-Kollegen.

Mit "Bennie And The Jets" und "I Guess That's Why They Call It The Blues" geht der Reigen weiter. Davey Johnstone setzt auf seiner Gibson-Gitarre rockige Akzente, während im Hintergrund auf einer Videoleinwand fette blaue Tropfen herunterfallen.

Nach dem zweiten Song entschuldigt sich Elton John kurz für die Absage im Juli, als er wegen des G-20-Gipfels keine Landeerlaubnis für sein Flugzeug erhalten hatte und den Auftritt absagen musste. "Endlich sind wir da", bemerkt er kurz und gibt zusammen mit seiner fünfköpfigen Band weiter Gas.

Gerade die ersten Nummern der Show sind mit viel Wucht und etwas schneller gespielt als die Studioaufnahmen. Es wirkt, als habe der Meister es eilig. "Looking Up" kommt knüppelhart um die Ecke; "The Good Heart", Elton Johns Lieblingssong von seiner aktuellen Platte "Wonderful Crazy Night", zeigt ihn von seiner souligen Seite. Der Pop-Ritter ist gut bei Stimme an diesem Abend.

"Your Song" widmet er seiner Mutter

Elton John gehört zu den Künstlern, die sich immer politisch geäußert haben und von ihrem Reichtum abgegeben haben. Bevor er "I Want Love" singt, beklagt er den Hass in der Welt und die verheerenden Anschläge auf unschuldige Menschen. Viel Beifall erhält er für seinen Satz, dass es gegenwärtig keinen verlässlichen Regierungschef auf der Welt gebe. Amerika bezeichnet er als verkommen. Natürlich zielt der Satz auf den US-Präsidenten, doch das Wort Trump nimmt Sir Elton nicht in den Mund.

Es dauert fast eine Stunde, bis mit "Tiny Dancer" die erste langsame Nummer im Programm auftaucht. Doch so richtig besinnlich geht es nicht weiter. Bei "Levon" zeigt John in einem furiosen Solo, was für ein versierter Pianist er ist. Ein weiteres langes Klavier-solo geht über in eine epische Version des frühen Hits "Rocket Man". "You're fantastic", bedankt Elton John sich für die Ovationen. Erst nach 90 Minuten singt er mit "Sorry Seems To Be The Hardest Word" die erste Ballade.

"Your Song" widmet er seiner Mutter in einer ergreifenden Interpretation. Doch trübe Stimmung lässt er nicht aufkommen. Zum gar nicht traurigen "Sad Songs" wird zwischen den Sitzreihen getanzt, bei "Don't Let The Sun Get Down On Me" erinnert eine Projektion an den verstorbenen George Michael, mit dem Elton John die Nummer im Duett gesungen hat. Mit "I'm Still Standing", "Crocodile Rock" und "Saturday Night's Right For Fighting" hat Elton weitere Kracher im Programm. Das Publikum singt mit und feiert dieses Hit­feuerwerk ausgelassen.

Um 21.48 Uhr geht das Best-of-Programm mit "Candle In The Wind" zu Ende. Elton John wird mit Beifall überschüttet, er wirf Kusshände in die Menge und muss sich sputen, um nach Fuhlsbüttel zu kommen. Dort wartet bereits sein Privatflugzeug, das ihn zur nächsten Station seiner laufenden Europa-Tournee bringen wird. Heute Abend ist das Grimaldi-Forum in Monte Carlo seine Bühne. Ovationen sind garantiert.