Dieses Klingeln in den Ohren…

Deep Purple
40th Jubilee-Tour

06.November 2008, Kiel, Sparkassen-Arena

Da stand ich also in Kiel in der ehemaligen Ostseehalle (an die verkauften Namen der Hallen und Stadien werde ich mich wohl auch nicht gewöhnen) und wartete auf….. ja auf was eigentlich?
Von der besten Band der Welt, gab es kein neues Album und ob es nun eine „40th Jubilee-Tour“ ist, mit der das Quintett seine 40-jährige Bühnenpräsenz feiert oder irgendeine andere Tour, das bleibt sich doch eigentlich gleich? Wir sind nur alle wieder ein paar Jahre älter geworden und es gibt so viele neue Musiker und Bands die am Thron unserer alten Helden sägen. Ob sie es heute noch einmal packen würden?

Diese Frage stellten sich sicherlich auch viele Fans, denn die Halle war zwar gut besucht, aber nicht bis zum Rand voll. Auch in meinem Bekanntenkreis erntete ich nur Achselzucken oder dumme Antworten („Gibt’s die überhaupt noch?“). Also denn!

Special Guest
Zunächst erklomm aber eine Band die Bühne, von der ich am Rande schon ein paar Titel gehört, die ich aber noch nie so richtig wahr genommen hatte. Gotthard aus der italienischen Schweiz waren als Special Guest angekündigt, und das waren sie auch. Besser als manch andere Vorgruppe spielten sie ein richtig geiles Set. Einziges Manko aus meiner Sicht: die Jungs neigen sehr zum posen. Aber das haben sie dann auch richtig drauf. Hat wirklich Spass gemacht!  Die nächste CD ist garantiert von Gotthard und wenn die Jungs als Hedliner kommen, dann schaue ich mir das noch einmal an!

Und los geht’s
Und dann ging es um 21:30 Uhr endlich richtig los!
Im aktuellen Line-Up mit Ian Paice (Drums), Ian Gillan (Vocals), Roger Glover (Bass), Steve Morse (Gitarre) sowie Don Airey (Keyboards) liessen Deep Purple von Beginn an keinen Zweifel aufkommen, ob sie zu alt, aus der Mode oder ausgebrannt seien.
Mit „Pictures Of Home“ ging es gleich in die Vollen und dort wo ich diesmal stand (in dritter Reihe an der Bühne) gab es kein Halten mehr!

Mag Ian Gillan auch nicht mehr alle hohen Töne sicher beherrschen, so wirkte er doch vital, gut gelaunt und in bester Stimmung. Steve Morse und Roger Glover zeigten sich in toller Spiellaune, überhaupt wirkte die ganze Band sehr homogen. Die früher berüchtigten Streitigkeiten sind wirklich Geschichte.

Hier eine Setlist aus der Erinnerung (ich hatte besseres zu tun als mitzuschreiben….):

  •  Pictures of Home
  •  Things I Never Said
  •  Into The Fire
  •  Strange Kind of Woman
  •  Rapture of The Deep
  •  Contact Lost
  •  Well Dressed Guitar
  •  Sometimes I Feel Like Screaming
  •  Wring That Neck
  •  The Battle Rages On
  •  Don Airey solo
  •  Perfect Strangers
  •  Space Truckin’
  •  Highway Star
  •  Smoke On The Water

Zugabe:

  • Hush ~ Ian Paice Solo
  •  Black Night ~ Roger Glover Solo

Fazit
Als ich dann um 23:20 Uhr halbtaub (dieses Klingeln in den Ohren fühlt sich wirklich cool an, vor allem wenn es nachlässt 😉 in die Tiefgarage ging, hatten sich einige Dinge wieder bewahrheitet:

  1. Nach „Space Truckin“ kann man Pogo tanzen!
  2.  Pogo tanzen kann Spass machen (muss aber nicht)!
  3.  Wer ein Plektrum haben will, muss schnell und agressiv sein (und darf sich auch nicht davor scheuen, sich in einer Menschenmenge auf den Boden zu schmeissen)
  4.  Mit 60 jahren muss man noch nicht alt sein (siehe die Photos!)
  5.  Der Sound ganz vorne an der Bühne ist eher suboptimal (aber HiFi geniesse ich sowieso lieber zuhause!)
  6.  Ein Purple-Konzert ist wie ein Besuch bei guten Freunden, eigentlich weiß man doch was einen erwartet!
  7. Die Parkgebühren in Kiel sind mit 2.-€ für die Veranstaltungsdauer sehr kundenfreundlich!

Und zum Schluss noch ein Dank an Paicey (auch wenn er es vermutlich nicht lesen wird): der Drumstick steht bei den Platten… see you next time!!

Pressestimmen

Rentner in Rock

Kiel - „Kiel, are you ready to rock?“ krakeelt Sänger Steve Lee von der Vorgruppe Gotthard ins Mikro. Und die Landeshauptstadt war bereit. Denn Deep Purple war in die Sparkassen-Arena gekommen, um hier ihr 40-jähriges Jubiläum zu feiern.

(Quelle: Jens Raschke, Kieler Nachrichten, 07.11.2008)

Natürlich: Runde Geburtstage waren schon immer ein guter Grund für Bands, noch einmal die Instrumente zu schultern und sich von den Fans in aller Welt ordentlich abfeiern zu lassen. Deep Purple bilden da keine Ausnahme. Selbst wenn von den Gründungsmitgliedern nur noch eines übrig ist und der angeblich 40. Geburtstag streng genommen erst der 32. ist. Denn von 1976 bis 1984 gab es die Band gar nicht.

Egal, solange es die Knochen noch mitmachen, wird gerockt. Fast alle in der Band haben die 60 bereits überschritten und sich die Rente mit rund 30 Alben und unzähligen Konzerten ehrlich und hart erarbeitet. Vor allem hart, denn Deep Purple, die ursprünglich mal Roundabout hießen und ihre Gründung der Geschäftsidee zweier findiger Unternehmer verdanken, sind und bleiben die Väter des Hard Rock. Jenes musikalischen Universums, das wie kaum ein zweites glänzende Sterne, aber auch abgrundtief schwarze Löcher hervorgebracht hat.

Eher Letzterem lassen sich auch die Herren von Gotthard zurechnen, die in der nicht ausverkauften Sparkassen-Arena die Anheizer mimen. Seit 1990 beliefert die Schweizer Gruppe ihre Anhängerschaft mit hoffnungslos überholtem Klötenrock, der wie gemacht scheint für Leute, die noch immer meinen, sie sähen sexy aus in Spandexhosen. Gotthards ganzes Gebaren, ihre vorhersehbare Musik, ihr käsemaukiges Posing sind zutiefst im 21. Jahrhundert verwurzelt. Vor Christus, wohlgemerkt.
„Kiel, are you ready to rock?“ krakeelt Sänger Steve Lee ins Mikro, während Leo Leoni, Freddy Scherer (Gitarren) und Marc Lynn (Bass) sich immer wieder breitbeinig an die Bühnenkante stellen und versuchen, ihr Publikum zum Mitklatschen zu animieren, derweil Hena Habegger am Schlagzeug den Rhythmus bolzt. Das fruchtet stets nur kurz, aber die Kieler reagieren trotzdem freundlich; wenngleich längst nicht so „oscarreif“, wie Lee es ihnen in einer seiner Anmoderationen (natürlich: zum Song „Oscar“) unterstellt.

Ach, was soll's. Man hört sich das eine Stunde lang an und möchte keine Zugabe. Dann, na endlich, Deep Purple! Ian Gillan , Steve Morse, Don Airey, Roger Glover und besagtes Urmitglied Ian Paice präsentieren über 90 Minuten lang die größten Erfolge aus 40, bzw. 32 Jahren Bandgeschichte. Und die war bekanntlich wechselhaft, vor allem, was Besetzungen betrifft. Zweimal wurde Gillan auf Betreiben von Ex-Gitarrist Ritchie Blackmore rausgeschmissen, bevor es dann 1992 endlich zur dauerhaften Bindung kam, Blackmore dafür den Hut nahm und seitdem einen auf keltischen Zupfgeigenhansel macht.

Steve Morse ersetzt ihn ebenso adäquat wie Don Airey den 2002 ausgeschiedenen Jon Lord, von dessen fauchend-barockem Orgelspiel er sich allerhand abgeschaut hat: Ob „Into The Fire“, „Strange Kind Of Woman“ oder „Hush“, Airey weiß, welche Teufel aus seiner Hammond auszutreiben sind. Das dröhnt und wabert, dass einem die Backentaschen schlackern. Nicht anders bei Roger Glovers kraftvollem Bassspiel, und auch Ian Paice erinnert sich noch ganz genau, wo an seinem Linkshänderschlagzeug die schnellen, prägnanten Rhythmen gedeihen.

Steve Morse distanziert sich indes hörbar vom eher trockenen Stil seines Vorgängers und gerät darüber immer wieder ins Gniedeln. Tja, und Ian Gillan, der arme Mann, schlägt wacker eine brutale Schlacht gegen den mauen Sound und die hohen Töne, die er gegen Ende, bei „Highway Star“, leider verliert. Macht nichts, er darf auf die Kieler Liebe zählen, vor allem als Morse endlich das berühmteste Riff der Rockgeschichte anstimmt und die Menge tanzen lässt: G, B, C – G, B, Cis, C – G, B, C – B, G. Erkennen Sie die Melodie? Auf die nächsten 40!