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Hat der Rock’n’Roll es verdient, zu sterben??

The Darkness
Easter Is Cancelled-Tour

  1. Februar 2020, Markthalle, Hamburg

Kann Ostern wirklich ausfallen und verdient (uninspirierter) Rock’n’Roll tatsächlich den Tod?
Angeblich kam Justin Hawkins beim Schreiben des letzten Albums zu folgendem Schluss: Dieser Rock’n’Roll hat uns zu oft verarscht, seine Zeit ist gekommen, nun muss er sterben.

Die ausverkaufte Markthalle

Nach diesem Konzert bleibt nur eines zu sagen: nein, er ist nicht tot, noch lange nicht! Nein, der Rock’n’Roll hat es nicht verdient zu sterben! Auch wenn The Darkness genau mit diesem Statement sowohl ihr letztes Album wie auch das heutige Konzert eröffneten.

Vorher durfte ich jedoch eine Vorgruppe erleben, die keine Argumente für den Rock’n’Roll liefern konnte. Eigentlich nur laut und lediglich der Schlagzeuger blieb mir von dieser australischen „Dance-Punk“-Combo im Gedächtnis.

DZ Deathrays

Und dann ging pünktlich um 21:00 Uhr in der restlos ausverkauften  Markthalle (lt. The Darkness auf Facebook!) die Post ab.

Mit „Rock’n’Roll deserves to die“, dem Opener des letzten Albums „Easter Is Cancelled“, startete die Band perfekt, um anschliessend diese These gründlich zu widerlegen!

Was sich auch nur wenige Bands trauen: nach meinem Gefühl wurde heute das komplette neue Album durchgespielt und erst zum Schluss gab es ein paar ältere und vielleicht bekanntere Songs.

Wenn ich  die Musik, den Auftritt oder die Band beschreiben soll, dann fallen mir automatisch Namen wie Queen, The Sweet oder Steel Panther ein. Das ganze gewürzt mit einer Menge Humor und Ironie (siehe auch das Zitat von Justin Hawkins) und obendrauf perfektes Handwerk.

Die Band spielt live eigentlich klassischen Hard- und Glamrock und lehnt sich immer wieder stark an Queen an. Ständig neue und eingängige Hooks zwingen zum Mitsingen und Klatschen.

Justin Hawkins Gesang vollzieht ähnliche Schlenker wie einst Freddie Mercury, die Gitarrenhälse qualmen und das Schlagzeug donnert.

Zwischen den einzelnen Songs kommuniziert vor allem Justin Hawkins (l-voc. g) immer wieder mit dem Publikum. Überhaupt scheint er der absolute Leader dieser Band zu sein. Neben ihm stehen sein Bruder Dan (guitar, voc), Frankie Poullain (bg) und Rufus Taylor (dr) auf der Bühne, die musikalisch wirklich alle Register ziehen.

Und dass es sich bei dem Schlagzeuger um einen Sohn von Roger Taylor (Schlagzeuger von Queen) handelt,  kann nicht ausschlaggebend für  seinen Einstieg in diese Band gewesen sein. Er ist einfach gut… ganz der Vater 😀

Mit den Füssen klatschen? Warum nicht?

Gegen Ende der Show zitierten The Darkness dann mal eben „While My Guitar Gently Weeps“ von den Beatles und coverten schließlich von Led Zeppelin den „Immigrant Song“ komplett. Was bei anderen Bands hätte peinlich klingen können, war hier nur genial!

Nach ziemlich genau 100 Minuten geht es mit „I Believe In A Thing Called Love“ zu Ende und es war wirkliches Top-Konzert!

Als das Licht anging und aus der Konserve „(I’ve Had) The Time Of My Life“ (Dirty Dancing) erklang, da sangen die Zuschauer laut den Refrain mit. Und besser kann man nach so einem Konzert ja auch nicht applaudieren!

Damit diejenigen, die The Darkness überhaupt noch nicht kennen (was für eine Bildungslücke!), eine ungefähre Ahnung von der Show bekommen, hier mein Video  der Show. Die  Tonqualität ist meiner Kamera geschuldet, live klang es viel besser!

Zu guter Letzt muss ich mich noch bei meinem Sohn für das Geburtstagsgeschenk bedanken… Ohne diese Wahnsinsscheibe (natürlich als Vinyl!) wäre ich vermutlich nicht auf die Idee für dieses Konzert gekommen!

Deep Purple – Infinite (Large Box-Set) (p) 2017

Unendlich?? Unendlich gut!!
Also: ich werde hier nicht auf die Songs eingehen, ich werde nicht über das Fehlen von Ritchie „Strumpfhosen“ Blackmore jammern… ich will nur ganz kurz(?) das Feeling wiedergeben, mit dem ich heute das inFinite-Large Box Set ausgepackt und aufgelegt habe. Kurzer Sprung zurück: vor knapp 45 Jahren hielt ich „In Rock“ in den Händen und war nach den ersten Takten(?) von Speed King elektrisiert. Und dann das Cover… in Stein gemeißelte Götter (okay, ich war erst 13 Jahre alt!) des harten, progressiven Rock.
Und heute kommt mit der Post dieses Riesenpaket und ich sehe die in Eis erstarrten… nein, es sind keine Götter mehr… Gesichter dieser großartigen Musiker und höre den Sound von vor 45 Jahren: die wabernden und dröhnenden Keyboards, eine melodisch-jaulende Gitarre, hämmernde und swingende Drums, den pulsierenden Bass und lediglich der (immer noch unverkennbaren) Stimme des Sängers merkt man die vergangenen Jahre an.
Das ist aber in keiner Weise negativ gemeint… jeder Satz, jede Phrasierung sitzt und kommt auf den Punkt. Hier erzählt ein reiferer Mann Geschichten, die das Leben geschrieben hat. Der wütendende und zornige „Jesus Christ Superstar“ gehört schon lange der Vergangenheit an, Ian Gillan hat seine Stil angepasst und es passt wie Dein Paar Lieblingssneaker.
Ich lasse mich für eine dreiviertel Stunde zurückfallen, genieße den Jameson und Bilder aus den vergangenen Jahre ziehen vorbei. Und wenn dies wirklich die letzte Scheibe sein sollte, dann ist das ein absolut würdiger Schlussakkord… verglichen mit dem Müll, den ich eben auf Vox bei der Echo-Verleihung gesehen habe, eine wahre Offenbarung.
Aber so wirklich mag ich es nicht glauben. Vielleicht folgt ja doch noch ein wirklich wahres letztes Album?? Und jetzt beginnt gerade „Roadhouse Blues“, ich muß Schluss machen und die „Live Tapes“ auflegen. Habe ich noch etwas vergessen? K a u f e n !! Diese Scheibe verdient alle Sterne der Welt!

 

Rival Sons – Great Western Valkyrie (p) 2014

Ja, ist denn schon wieder Weihnachten?

Genau das war das erste Gefühl, als ich diese Band live als Vorgruppe erleben durfte. Vorgruppen sind ja so eine Sache, häufig genug ein Vorwand ein letztes Mal zu verschwinden… Zigarette für die Raucher, Bier ent- oder besorgen für den Rest der Welt.

Als diese Band an jenem Abend die Bühne enterte führte das bei mir am nächsten Tag zum Spontankauf ihres letzten Albums, natürlich die Vinyl-Version! Wenn eine Band so stilsicher den Hard- & Blues-Rock der 70er leben lässt, dann darf es keine CD sein.

Dann drehte sich die Platte auf dem Teller, und bei mir schlich sich ein Gefühl von „Kenn-ich-schon-,-das-sind-doch…“ ein. Und tatsächlich, auf der Platte, noch viel deutlicher als im Konzert, glaubt man als Fan der 70er viele bekannte Wendungen herauszuhören. Dieses Gefühl wird durch die Produktion verstärkt: rauh, leicht übersteuert und am besten gaaanz laut hören.

Aber ich hab die Truppe live gesehen und ich könnte, nein ich schwöre: das ist echt, das ist keine typische Retro-Band. Wer erinnert sich noch an der Erstling von Kingdom Come? Ein 1:1 LedZep-Plagiat und trotzdem witzig. Diese Scheibe („Great Western Valkyrie“) hat hingegen dermaßen viele neue Songs zu bieten, das derjenige, der mit dem Gedanken spielt, sich beispielsweise die 51. Neuauflage eines bereits 50-fach in seinem Besitz befindlichen Deep Purple-Live-Albums anzuschaffen, dieses Geld lieber in „Great Western Valkyrie“ investieren muß!!

Wenn Jay Buchanan in „Electric Man“ von seinem Cadillac und dem Girl singt, dann bohrt sich dieser Refrain in der Kopf. Das Gitarrenintro von Scott Holiday in „Play The Fool“ stammt definitiv von LedZep, aber spätestens im Refain haben sie Dich. Und dann kommt „Good Things“… boooaaa eeyyyh! Sommerabend auf der Veranda, das eiskalte Bier in der Hand und genieße das Leben! Es kommt wie es kommt:

Good things will happen
Bad things will happen, too
Sometimes its someone down the road
Sometimes its somebody next to you
Enjoy it right now
Because you never know
When its gonna end
Enjoy it right now
Because you never know
When its gonna end

Der Song hat das Zeug zu einem All-Time-Greatest! Und bevor ich jetzt auch noch die anderen Songs durchgehe, mein dringender Tipp an alle Deep-Purple-Led-Zeppelin-Doors-Free-Fans: holt euch diese Scheibe bevor es zu spät ist! Es werden nicht mehr viele neue Bands kommen, die diese Musik so leben wie die Rival Sons. Wer schon einmal Jay Buchanan auf der Bühne gesehen hat, der weiß was ich meine!

„Rival Sons – Great Western Valkyrie teleportiert die 70s ins Jahr 2014. Die Rival Sons verfeinern sämtliche ihrer Trademarks, riskieren eine Schippe Psychedelik im schweren Bluesrockgemisch und bekräftigen: die Geschichte des (traditionellen) Rock ist noch lange nicht zu Ende geschrieben.“ (www.laut.de)

 

 

Black Blood – Chicano (p) 1975

Wenn man etwas nicht vergessen soll, dann hat man sich früher Knoten in die Taschentücher gemacht. Heute benutzen die Medien (oder die Industrie?) musikalische Taschentücher. Es ist ja schon fast Tradition: jedes sportliche Großereignis wird von akustischen Taschentüchern begleitet und noch Wochen nach der Fussball-WM 2010 dröhnt einem immer noch „Waka Waka“ um die Ohren. Ein anderer Song, der uns immer noch an die WM erinnert, war (oder ist) „Helele“ von Velile & Safri Duo.
Nein, ich werde dieses synthetische Bongo-Gewürge nicht kommentieren, dazu ist der Song einfach zu gut, aber…
wie war das mit der Erinnerung und dem Taschentuch?

Ich habe nämlich plötzlich einen 35 Jahre alten Knoten in meinem Taschentuch.

1975 erschien diese Sommer-Super-Gute-Laune-Scheibe von der afrikanischen Band Black Blood, die leider zur unpassenden Zeit auf dem europäischen Markt landete. Osibisa waren schon wieder in Vergessenheit geraten und Weltmusik hatte die Massen noch nicht erreicht (Peter Gabriel, Paul Simon, ja sogar Peter Maffay kamen erst in den 80ern auf diesen Trip). Weshalb auf meiner LP damals der Sticker „Soul Tropical“ prangte, das bleibt wohl ein Gehemins der deutschen Platenfirma. Leider gibt es diese LP/CD aktuell nicht mehr im Handel. Also versucht euer Glück bei ebay

Was bleibt?

Zwölf rythmische Gassenhauer mit heißen (und echten!) Percussion unterlegt, englisch-afrikanisches Kauderwelsch (aber wer achtet beim Tanzen auf die Texte), das zumindest in den Titeln auf einen Schuss Humor deuten lässt. Der Titelsong „Chicano (When Philly Goes To Barcelona)“ sagt schon fast alles, sofern man noch weiß was „Phillysound“ war…

Ach ja, und dann ist da noch der erste Song auf Seite zwei. „AIE (A Mwana)“ war damals ein mittlerer Hit im Radio, in vielen Discos jedoch der Feger! Der aktuelle Mega-Hit „Helele“ ist nämlich nichts anderes, wie eine aufgepeppte Kopie. Fast schon frech, das Original nicht zu erwähnen…

Ich hoffe nur, die Jungs von Black Blood bekommen ein paar Tantiemen ab, verdient hätten Sie es!

Und kaufen kann man diese Scheibe nur noch Second Hand!