Fast neutral!
Wir haben einen Vollblut-Italiener zum Zucchero-Konzert geschickt
(Quelle: www.mopo.de)
Zucchero, der wohl bekannteste italienische Blues-Barde, ist in seiner Heimat ein Held. Der Sänger, Baujahr 1955, arbeitete mit Brian May, Sting, Macy Gray und Bono zusammen. Er spielte im Moskauer Kreml und der Royal Albert Hall. Am Dienstag trat Zucchero in Hamburg auf. Wir haben unseren einzigen italienischen Reporter hingeschickt. Der knüppelharte Arbeitsauftrag für unseren Vollblut-Italiener: Schreibe einen neutralen Text. Das ist das Ergebnis:
Ich kneife die Augen noch einmal zusammen, kann es selbst kaum glauben: Adelmo Fornaciari alias Zucchero ist in Hamburg und gerade im Begriff, die Barclaycard Arena zu rocken. Mit klopfendem Herzen verfolge ich jeden einzelnen Schritt des italienischen Blues-Meisters. Eine lebende Ikone, einer der größten Pop-Artisten überhaupt.
Lässig, mit Jeans und Turnschuhen tritt er auf die Bühne, lässt seine Melodien für ihn sprechen. Er weiß genau, wie das geht. Bereits im Sommer begeisterte er mit seiner neuen Platte „Black Cat“ die italienische Halbinsel: Mehr als 115.000 Zuschauer strömten für seine elf Konzerte in die „Arena di Verona“, da wo dieser Bürger von Welt wirklich heimisch ist. Seit dem 1. Oktober reist er durch Europa für seine „Black Cat World Tour“. Nach Stuttgart und Oberhausen war nun Hamburg als dritte deutsche Etappe an der Reihe.
Zucchero hat musikalische Generationen geprägt und verbunden. Einer dieser Sänger, die man sich gemeinsam mit Papa und Opa anhört. Wie gerne wäre ich 1994 in Woodstock dabei gewesen, als er dort live spielte und die Welt noch einmal auf seine Art rockte. Dafür ist der Hamburger Auftritt ein mehr als befriedigender Trost! Er ist zeit- und grenzenlos, gerade weil er in seiner künstlerischen Vermischung von Blues und Italo-Lebensgefühl einzigartig ist. Seine raue Stimme steht für kulturelle Vielfalt, erweckt aber gleichzeitig Zugehörigkeitsgefühle. Kein Zufall, dass er der erste abendländische Sänger war, der nach dem Fall der Mauer am Moskauer Kreml auftrat.
„Black Cat“ ist mal wieder ein Meisterwerk: Ein tiefsinniges Album, das Zuccheros musikalische Poetik zusammenfasst. Ein Mix aus Rythm & Blues, Rock, Gospel und Balladen. Von peppigen Tracks wie „Partigiano reggiano“ und „13 buone ragioni“ zu den sanften Melodien von „Ci si arrende“ und „Hey Lord“, werden Themen wie Liebe und Beziehungen, Nachkriegszeit und Migration mit einer beeindruckenden Leichtigkeit behandelt. Auch ohne die auf die Bataclan-Tragödie anspielende Ballade „Streets Of Surrender“, die von U2-Frontmann Bono geschrieben wurde, mangelte es also nicht an emotionalen Momenten. Den Erdbeben-Opfern in Mittelitalien wurde außerdem das Lied „Il suono della domenica“ gewidmet. Das Stück, ausnahmsweise mit englischen Untertiteln begleitet, sorgte inhaltlich und musikalisch für Gänsehaut pur auf den Tribünen.
Flott verwandelt sich die Rührung in tanzbesessenen Enthusiasmus, sobald die Glanznummern angekündigt werden: Purer Nervenkitzel, eine bombastische Kombi aus alten Klassikern wie „Baila“, „Diavolo in me“, „Senza una donna (Without a woman)“ und neuen Hits. Nicht zuletzt durch die geschickten Hände von Brian Auger (Hammond), die Power-Stimme von Tonya Boyd-Cannon und den Rest der Band wurden sogar die wenigen Lücken zu Solo-Shows der Extraklasse.
Zucchero macht mich stolz, Italiener zu sein, weil er sich zum Symbol und Vertreter eines musikalischen Vermögens erhebt, das was Konkretes zu sagen hat. Seine Botschaften dringen bis ins Herz und tief in die Seele der Menschen durch, ganz unabhängig von Herkunft und Konfession. Er kommuniziert auf einer ganz anderen Ebene, in einer universellen Sprache, die den Träumen Flügel verleiht.
Eine unschlagbare Stimmung dominierte das knapp dreistündige Fest in der gut gefüllten Arena komplett. Das war Italien pur mit einem Hauch von Black. Und am Ende hallten in der Arena magische, hoffnungsvolle Worte wider: „In blues we trust. Blues never dies.“
Ciao Zucchero, a presto!*
*Tschüs, Zucchero, bis bald!
Zucchero – nicht ohne „una donna
(Quelle: Jens Dirksen, Der Westen, WAZ.de vom 25.10.2016)
Mit Riesen-Band und Film-Pavarotti spielte Zucchero zum Auftakt seiner Deutschland-Tour vor 5000 Fans in Oberhausen.
Wer die italienische Gemeinde der Gegend möglichst vollständig versammeln möchte, holt sich am besten Zucchero auf die Bühne. Also waren sie am Montagabend zuverlässig da, in der bestuhlten Arena „Ober’ausen“, die Ragazzi und die Schönen, die am liebsten auf „Bella“ hören, über 5000 an der Zahl. Und als Adelmo Fornaciari um viertel vor elf seinen Steampunk-Hut auf den Mikrofonständer hängt, da war dieser Auftakt seiner Deutschland-Tournee bis hin zum unvermeidbaren „Senza una donna“ doch noch rund geworden.
Brian Auger an der Hammondorgel
Begonnen hatte es mit einem dicken Brocken: Zucchero und seine zwölf(!)köpfige Band spielten einmal komplett das neue Album „Black Cat“ vom ersten bis zum elften Titel durch. Das ging gut, obwohl so ein Live-Abend ja eigentlich dazu dient, Vertrautes in neuer Mischung zu hören – eher nach dem Juke-Box-Prinzip als im Plattenspielermodus. Aber „Black Cat“ ist kraftvoll und abwechslungsprall genug für eine 45-Minuten-Live-Fassung. Und die amerikanisch-kubanisch-italienisch-britische Combo, die sich der 61-jährige Zucchero da zusammengestellt hat, arbeitet mit traumhafter Geschmeidigkeit, von der Hammondorgel-Legende Brian Auger (77) bis zum Stimmschwergewicht Tonya Boyd-Cannon. Nur der Sound, der manchem zu laut vorgekommen sein wird, dürfte für ein größeres Publikum gedacht gewesen sein, für etwas größere Arenen.
Italiens amtierender Blues-König, der im Alter auch gestisch immer größeren Ehrgeiz beim Joe-Cocker-Ähnlichkeitswettbewerb entwickelt, hat sich für seine Auftritte zwischen der Arena von Verona (elfmal hintereinander) und den bulgarischen Nationalpalast in Sofia eine Freakshow-Bühne mit einem hallenhohen Herz in der Mitte bauen lassen, links eine abgerockte Destillerie-Werbetafel, rechts ein Western-Förderturm, auf dem die drei vom Turbo-Gebläse (inklusive Tuba!) ihre Gerätschaften schwenken. Das Schlagzeug ist doppelt besetzt (u.a. mit Queen Cora Dunham aus der Prince-Band), die Gitarre, sobald Zucchero selbst auch noch dazu greift, vierfach. Der Devise „bloß nicht zu wenig“ folgt erst recht das „Miserere“, bei dem der unvergleichliche Pavarotti via Großbildleinwand aus dem Gesangs-Himmel zugeschaltet wird.
Der Zausel und die Melancholie
Das letzte der drei „Kapitel“ an diesem Abend ist eine Art „Best of“, mit einem der besten Zuccheros, die je zu besichtigen waren, quirlig gut mit „X colpa di chi“, herzschlagwarm mit „My baby“. Gesungen von einem Typen aus einem anderen Jahrhundert, als Rockstars noch zottelige Zausel sein durften und die Hoffnung lebte, der Blues werde eines Tages die ganze Menschheit zusammenschweißen. Die süße Melancholie, die Zuccheros Konzerte verströmen, ist ein beinahe wehmütiges Echo dieser Zeit.
Blues, Rock und Italo-Hits mit Zucchero
(Quelle: Ruhrnachrichten.de)
Irgendwie kann er alles und macht er alles: Ob Blues, Rock oder Gospel - Italienisch, Englisch oder Spanisch. Zucchero hat sein Publikum in Oberhausen am Montag mal mit ruhigen und rauen Klängen und dann wiederum mit rhythmischen Songs begeistert.
"In Blues we trust - full flavour blended" lautet das Credo von Adelmo Fornaciari, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Zucchero. Seit seinem jüngsten Album "Black Cat", ein Slang-Ausdruck für schwarze Musiker, denen er stimmlich und seelisch eng verbunden ist, hat der 61-jährige Sänger, Musiker und Komponist, der erfolgreichste italienische Pop-Star weltweit, wieder zu seinen alten Blues-Wurzeln zurückgefunden.
Zwischenzeitlich hatte er sich einige Jahre in Deutschland rar gemacht und statt dessen mit "La sesión cubana" den lang gehegten Traum, Latino-Klassiker auf Kuba mit dortigen Musikern neu einzuspielen, wahr werden lassen. In der Oberhausener König-Pilsener Arena riss er mit seiner urwüchsigen Mischung aus Rock, Blues Soul und Gospel seine mehr als 5000 begeistert mitgehenden Fans immer wieder von ihren Plätzen.
Er kann düster und detailreich
Mit "Partigiano reggiano" legt er temperamentvoll los, seine 13-köpfige Band, mit mehreren Gitarren, darunter auch Pedal Steel, drei Bläsern, Keyboard, Orgel, Geige sowie einem Schlagzeuger und einer Schlagzeugerin stärkt ihm musikalisch den Rücken. Nein, hier wird der Blues nicht Opfer barocker Opulenz, Zucchero erweist sich allerdings als ein Musiker, dem Details wichtig sind.
"Ti voglio sposare" rockt als wolle sich "Sugar" ein Rennen mit Bruce Springsteen liefern. Bei dem düsteren "Ten More Days", bei dem er singt wie ein Voodoo-Priester, und "Hey Lord", einem Working Blues, der später zum Gospelduett mutiert, sowie später noch bei "Love Again" wechselt er problemlos ins Englische.
Am Ende wird mitgeklatscht
Doch auch im eher romantisch ins Ohr gehenden Italienisch schafft er es, die Gefühlswelt des Blues aus vergeblichem Liebeswerben, zerbrochenen Liebesbeziehungen sowie Niedergeschlagenheit wegen zuwenig Geld oder zuviel Alkohol authentisch in Klänge zu fassen. Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt jedoch seine raue Stimme, wegen der er schon vielfach mit Joe Cocker, zumal auch er gerne Luftgitarre spielt, verglichen wurde.
"Stand up and dance - vamos" fordert Zucchero zu Beginn des zweiten Konzertteils auf. Zu "Baila - Sexy Thing" ist dann zumindest rhythmisches Mitklatschen angesagt. Die Stimmung steuert auf den ersten Höhepunkt zu und wo sie am besten ist weiß der umjubelte Zucchero natürlich auch: "Under the luna". Der Blues ist vergessen, fortan sorgen seine Italo-Hits für Partylaune in der Rock-Disco.