Bier, Schweiß und Gesang
(Quelle: Ralf Dorschel, Hamburger Morgenpost v. 06.09.2002)
Deep Purple luden im ausverkauften Stadtpark zum »Bierbauch-Tanz«. Was ist das: den linken Arm unbequem nach links abgespreizt, die Hand zur Kralle? Die rechte Hand an die Gürtelschnalle und dann immer rauf und runter? Genau! Die Luftgitarre! Man sah sie im Dutzend, motiviert und dirigiert von Ian Gillan - der Stadtpark mag schon mal elegantere Tänzer gesehen haben, aber selten mehr Luftgitarristen.
Deep Purple waren da, oder genauer: Das, was von der legendären Deep Purple-Besetzung übrig ist. Im vergangenen Februar war Keyboarder Jon Lord zum x-ten Mal dem Kollektiv entwichen, der neue Mann an den Tasten heißt Don Airey und spielte mal bei Rainbow. Die Band ist also nicht ganz auf der Höhe von 1972, aber die Fans sind es ja auch nicht. Hier und da versickern arg schräg gehaltene Biere vor den gleichnamigen Bäuchen im Erdreich. Wir werden alle nicht jünger. Egal, denn was da auf der Bühne geschah, konnte sich sehen (endlich mal wieder eine richtig fette Lightshow im Stadtpark!) und hören lassen. Es waren nicht ganz die alten Deep Purple, aber es waren richtig gute Deep Purple.
Der erste Teil fiel überraschend blueslastig aus, vor allem “When A Blind Man Cries” hatte sich die Begeisterungsstürme wirklich verdient: ohne Rumgeniedel mit viel Gefühl auf den Punkt gespielt - die könnens noch, die alten Säcke. Das Programm war mit 80 Minuten nicht zu lang und clever kombiniert aus neueren Nichtigkeiten und den Klassikern. Ian Gillan (57) war bestens bei Stimme und Kondition, Ian Paice und Roger Glover standen ihm nicht nach. Und Don Airey gelang es, ein ganzes Kapitel Rock-Geschichte wiederauferstehen zu lassen: den Klassik-Rock und sein zentrales Ich-zeigs-euch-allen-gleich-werdet-ihr-staunen-Keyboard-Solo.
Da verfing sich dann Beethoven im Blues, die deutsche Hymne im "Star Wars"-Thema. Das Publikum hatte denn auch wirklich allen Grund zum Staunen. Nein wirklich, man hätte diesen Abend schlechter verbringen können. Deep Purple Anno 2002 sind allen Unkenrufen zum Trotz eine hellwache und jugendlich aufspielende Hardrock-Band.
Smoke on the Stadtpark, Fire in the Sky
( Quelle: Die Welt v. 06.09.2002)
5000 Besucher standen im Stadtpark, rund 1000 lagerten bei Kerzenschein auf dem Rasenstreifen der Allee vor den Toren, als Ian Gillan von Deep Purple als letzten Song vor den Zugaben "Smoke On The Water" anstimmte. Die Band, die einst zeitgleich mit Led Zeppelin den Hardrock erfand, präsentierte sich - trotz der zahlreichen Umbesetzungen ihrer mehr als 25-jährigen Geschichte - praktisch in Bestform. Barfuß und frohgemut gab Ian Gillan den Springinsfeld und Mikrofonständerschleuderer.
Schön, dass die Diskussionen des Abends nicht vor der Bühne, sondern auf ihr stattfanden. Nach einem wundervollen Phrasendialog zwischen Don Airey am Keyboard und Steve Morse an der Gitarre erzählte Roger Glover eine melodische Geschichte auf dem Bass. Anschließend holte Drummer Ian Paice als ältestes Mitglied der Band zu einer seiner unnachahmlichen Rhythmus-Eskapaden aus. Es ist immer wieder verblüffend, wie sehr der Schlagzeuger trotz seiner virtuosen Kollegen den Sound der Gruppe prägt. Ian Gillan, der seinen Instrumentalisten den Raum überlassen hatte, kehrte zurück und wechselte noch einige Koloraturbemerkungen mit der E-Gitarre seines Kollegen Morse. Nun ging es zur traditionellen Sache: Neben "Hush" erklang auch "Speed King". Auf "Child of Time" warteten die Fans, wie in den vergangenen Jahren, allerdings vergeblich. Die neueren Stücke, mit denen das Konzert eröffnet wurde, sind zwar auch ganz schön, jedoch erheblich durchsichtiger konzipiert als die Oldies, setzen bewusster auf die Präsentation der Fähigkeiten der einzelnen Bandmitglieder - wenn du ein Solo hast, will ich auch eins - und sind damit nicht annähernd so urgewaltig und mitreißend wie die Stücke, die jeder auswendig kennt.
Aber zum Einstieg sind sie wunderbar geeignet. Der Jubel der Fans sorgte bei den Deep-Purple-Stars offenkundig für gute und Geberlaune. Allein der piratenkopftuchtragende Roger Glover schleuderte schon während des Konzertes ein gutes Dutzend Plektren ins Publikum. Steve Morse warf am Ende einen ganzen Stapel hinterher und auch Ian Paice trennte sich frohgemut von seinen Sticks. Und die Elektrolichtscheinwerfer zauberten zum letzten Mal für diesen Abend ein "Fire in the sky".
Noch nicht reif für die Rente
(Quelle: Hamburger Abendblatt v. 06.09.2002)
Hamburg - Soundwälle aus der Hammond-Orgel von Jon Lord und exzellente Saitenquälerei von Ritchie Blackmore - dafür steht Deep Purple. Nach mehrfacher Umbesetzung ist seit März diesen Jahres wieder ein neues Gesicht dabei: 34 Jahre nach ihrer Gründung gab die Band mit neuem Keyboarder Don Airey am Mittwoch auf der Freilichtbühne im Stadtpark das letzte Konzert der Deutschland-Tournee.
Barfuß und in weißem Guru-Look kam Sänger Ian Gillan und legte gleich mit "Magic Woman" los. Neben Songs der neueren Alben waren es doch die alten Hits wie "Woman From Tokyo" und "Smoke On The Water", die für Stimmung sorgten. Dazwischen lagen ausgiebige Soli, bei denen vor allem Gitarrist Steve Morse, seit 1994 an Blackmores Stelle, die Führung übernahm. Gelegenheit für Gillan, die Bühne kurz zu verlassen, um auch nach eineinhalb Stunden noch unisono mit Morses Gitarrenläufen in wilden Höhen wettstreiten zu können.
Ein Deep-Purple-Konzert ohne "Child In Time" - eigentlich undenkbar. Die Fans, im Alter ebenbürtig, waren trotzdem zufrieden. Purer alter Hardrock ohne runtergestimmte Gitarren, der keinen Grund zur Rente gibt: The battle rages on.