Wenn Clapton „Gott“ ist…

Santana

5. Mai 2006, Hamburg, Color-Line-Arena

Irgendwann Ende der 60er hat mal jemand an eine Londoner Häuserwand den Satz »Clapton is god« gesprayt. Auch wenn Eric Clapton ein in meinen Augen toller Gitarrist ist und der blasphemische Inhalt nicht ernst genommen werden kann, so stellt sich mir unmittelbar nach diesem Konzert bei dem Gedanken an dieses Zitat die Frage:

Wer ist dann bitte schön Carlos Santana?

Was dieser Mann uns hier und heute geboten hat, lässt sich mit Worten kaum noch beschreiben. Bereits mit dem ersten Song (Jingo) flog der Funke von dieser sensationellen Band in das Publikum über und jeder begann zu tanzen und zu toben. Kein langes Abwarten, sofort gute Laune und eine umwerfend positive Stimmung.

In den folgenden 135 Minuten folgte ein Klassiker dem anderen und wir flogen durch die Jahrzehnte dieser unglaublichen Karriere. Vom ersten Album (das mit dem Löwenkopf) bis zum aktuellen (All That I Am) spannte sich der Bogen und trotz der unglaublich vielen Hits die es heute zu tanzen/singen/hören gab, ich hätte mich auch noch auf Samba Pa Ti gefreut. Am Ende gab es noch die Botschaft, die diesen unglaublichen Musiker seit Jahren vorantreibt:

Love, Peace & Happiness (we are the other side of america…)

Dem ist nichts hinzuzufügen, es sei denn Folgendes:

wenn Santana nochmals in der Nähe auftreten sollten, sofort Karten kaufen!!!

Pressestimmen

Das Magengruben-Gefühl
(Quelle: Heinrich Oehmsen im Hamburger Abendblatt, 08.05.2006)

Carlos Santana: 135 Minuten Feuerwerk aus Rock und Latin. Der 58 Jahre alte Gitarrenvirtuose euphorisierte die Color-Line-Arena mit Hits seiner langen Karriere.

Jeder Ton ist noch in meinem Kopf. Unauslöschlich. Seit 1971, als "Santana" erschien, das dritte Album der Band mit dem Song "No One To Depend On". Mit seinem sanften Intro, ein paar harten Trommelschlägen und den langgezogenen Tönen, mit denen Carlos Santanas Gitarre sich in die Gehörgänge fräste. Ein Lied, unzählige Male zu Hause auf der Luftgitarre vor dem Dual-Plattenkoffer mitgespielt. Riffs, die damals in der Magengrube ankamen und auf den Armen eine Gänsehaut auslösten. Da brannte ein Musiker auf seiner Gitarre ein Feuerwerk ab, meistens am unteren Ende des Griffbrettes, um besonders hohe Töne durch die Lautsprecher zu jagen.

Jetzt steht dieser Gitarrist 80 Meter von mir entfernt auf der Bühne der Color-Line-Arena, und alles ist genau wie 1971. Dasselbe Gefühl, dieselbe Euphorie angesichts dieses einzigartigen Sounds. Man möchte vor Verehrung auf die Knie fallen, denn Carlos Santana setzt 35 Jahre später immer noch diese unvergleichliche Energie frei. Es sieht so mühelos aus, wenn er über die Bühne wandert, seine Finger über das Griffbrett fliegen und seine rotbäuchige Gitarre singen läßt. Mit schnellen Kaskaden, die in lang- und hochgezogenen Tönen enden, um danach wie Stromschnellen wieder rasante Fahrt aufzunehmen. Diese Musik ist ein breiter Fluß, in dessen Mittelpunkt der schnauzbärtige Mexikaner aus Kalifornien steht. Und der in seiner uneitlen Art seiner famosen Band reichlich Raum für solistische Ausflüge gibt.

An diesem Abend geht der 58 Jahre alte Bandleader, dessen Sohn Salvador mit seiner Band das Vorprogramm mit Bravour bestritt, im Repertoire ganz weit zurück bis an den Beginn seiner Karriere, die 1969 beim Woodstock-Festival ihren ersten Höhepunkt erlebte.

Los geht es mit dem stampfenden Rhythmus von "Jingo" vom ersten Album mit dem gezeichneten Löwenkopf auf dem Cover. Die drei Perkussionisten mit Schlagzeuger Dennis Chambers geben mächtig Gas. 9200 Zuhörer wippen und tanzen mit. Zeit zum Luftholen bleibt nicht viel, höchstens, wenn Cyndi Laupers Ballade "Time After Time" oder John Coltranes "A Love Supreme" zitiert wird. Die zehnköpfige Santana-Maschine läuft wie geschmiert - mit Hochdruck auf den Kesseln.

Von den frühen Nummern der Post-Woodstock-Phase gehört "Toussaint L'Overture" genauso zum Repertoire wie "Incident At Neshabur", "Oye Como Va" fehlt ebensowenig wie "Black Magic Woman".

"Evil Ways" und "Soul Sacrifice" holt Santana erst im Zugabenteil aus seiner Schatztruhe. Auch jüngere Hits wie "Maria Maria", "Smooth" (beide vom Album "Supernatural") und "Foo Foo" (von "Shaman") gehören zu dieser 135 Minuten langen Tour de Force aus Rock und Latin.

Und sie macht Lust, sich zu Hause wieder vor die Boxen zu stellen und die Luftgitarre einzustöpseln. Um "Batuka" und "Jungle Strut" mitzuspielen. Vom geliebten dritten Santana-Album.

Santana begeistert bei Tourauftakt
(Quelle: dpa)

Latin-Rock der Meisterklasse: Carlos Santana kann mit seiner Gitarre beim Zuhörer Gänsehaut erzeugen - daran hat sich in den mehr als 30 Jahren seiner legendären Karriere nichts geändert.

Einen beeindruckenden Beweis dafür lieferte der 58-jährige Musiker mit seiner Band beim Konzert am Freitagabend in Hamburg - der ersten Deutschland-Station auf seiner aktuellen Europa-Tournee "All That I Am". Mit Songs von seinem gleichnamigen neuen Album und Klassikern wie "Black Magic Woman", "Corazon Espinados" oder "Oye Como va" versetzte er mehr als 9000 Zuschauer in der Color Line Arena in Begeisterung.

Viele ließen sich ganz in den Bann der Musik ziehen, bewegten im Latino-Rock-Blues-Rhythmus Hände und Hüften und jubelten Santana vor allem bei den ausgedehnten Soli zu. Der Gitarrenvirtuose wirkte dabei leicht entrückt, gab sich seinem unverwechselbaren, ekstatischen Spiel mit den Saiten hin und sorgte so immer wieder für geradezu andächtige Stimmung in der Halle. Mehr als zweieinhalb Stunden lang verzog der Mann aus Mexiko mit dem rot-karierten Hemd, schwarzer Wollmütze und Schnauzbart kaum eine Miene.

Santana, der als einer der besten Gitarristen der Welt gilt, verließ sich in der Rock-Fiesta vielmehr ganz auf seine eigene Sprache, die Musik.

Erst wenige Minuten vor Ende des Konzerts rief er den Zuschauern seine Botschaft zu, die sich in den Jahren seiner Legendenbildung nicht geändert hat: "Dies ist ein Traum. Gemeinsam können wir Gewalt beenden. Wir werden niemals Bush sein, wir sind die andere Seite Amerikas. Die Macht der Liebe ist etwas anderes als die Liebe zur Macht." Und dann fügte er noch hinzu:

"Wir wünschen Euch Frieden, Liebe und Freude." Santana ist sich treu geblieben, in jeder Hinsicht: statt künstlichem Nebel auf der Bühne sieht man ein Räucherstäbchen zu Füßen des Latin-Rock-Meisters.

Seine "Message" umrahmte er während des Konzerts mit Video-Clips auf einer Großbildleinwand: eine Friedenstaube umfliegt die Erdkugel im Universum, Kinder verschiedenster Nationen sowie afrikanische Stammestänzer bewegen sich zu Santana-Klängen, und schließlich im Schnelldurchlauf Stationen im Leben des Carlos Santana selbst. Beim Woodstock-Festival ist er zu sehen, dem Ort, wo ihm und seiner Band der Durchbruch zur internationalen Karriere gelang. Dann erscheint ein Foto von ihm als Teenager mit Anzug, Krawatte und wilden Locken.

Schließlich schwenkt die Kamera zur aktuellen Tour. Hier will der Musiker, der mit seiner Band weltweit insgesamt mehr als 60 Millionen Alben verkaufte, seine CD "All That I Am" vorstellen und das ganze Spektrum seines Könnens zeigen. Vor allem bei den neueren Titeln lässt er Pop, Rock, Latin, Jazz und Soul zu unverkennbaren Santana- Klängen verschmelzen. Etwas andere Santana-Rhythmen sind dagegen im Vorprogramm zu hören: Sohn Salvador und Band heizen den Fans seines Vaters mit einem Mix aus Rock und Rap ein.

Für solche Abende…

Achim Reichel

25. August 2003, Hamburg, Fischauktionshalle

Ich habe jetzt vier Tage gewartet, um diesen Bericht zu schreiben. Hätte ich mich gleich nach dem Konzert hingesetzt, dann wären es zwei Seiten „suuuuper“, „waaaaahnsinn“, „mehr mehr mehr“ geworden. Damit hätte man nicht viel anfangen können, oder?

Also: Fakten, Fakten und an die Leser denken!

Achim fing kurz nach Acht an und wir wankten kurz vor Zwölf völlig erschöpft, heiser, klitschnass und mit wunden Händen hinaus.

Dazwischen lag eines der besten Konzerte, die ich je erlebt habe. Die ersten 90 Minuten wurden bestimmt von den ruhigeren, akustischen Stücken, die Achim aus den „Volkslieder“-Alben ausgewählt hatte. Unterstützt von Musikern der Extraklasse (ich habe mir leider die Namen nicht notiert, sorry Jungs!), ließ Achim nur hin und wieder die Muskeln spielen. Dementsprechend verhalten reagierte auch das Publikum. Es war, wenn man so will, der Teil zum Zuhören mit Stücken wie „Trutz Blanke Hans“, „Erlkönig“, „Een Boot is noch buten“, „Die Ballade von der Loreley“ und der unglaublich schönen „Regenballade“. Nach diesen 90 Minuten hätte man nach Hause gehen können und es wäre ein tolles „Hör“-Konzert gewesen.

Nach einer 15-minütigen Pause dann die Sensation: auf der Bühne trafen sich nach 38 Jahren, zum ersten Mal wieder in der Original-Star-Club-Besetzung, die Rattles! Und jetzt gab es im Publikum kein Halten mehr. Ich bin ja eigentlich für diese Songs zu jung (ich war damals fünf!), aber alter Schwede! Weshalb haben wir eigentlich Status Quo gehört, wenn es die Rattles schon gab. Die Songs wie „Come On And Sing“ und „Bye Bye Johnny“ kamen live unglaublich gut rüber!

Danach begab sich Achim mit uns auf eine Zeitreise durch seine Karriere und es blieb eigentlich kein Wunsch offen. Wir mussten nachher wirklich überlegen, welchen Hit hat er nicht gespielt (na ja, ein oder zwei fielen uns schon ein…). Vom 68er „Moscow“, dem Rock’n’Roll-Medley aus dem Shanty Album („Hamborger Veermaster/Rolling Home/Drunken Sailor“) über „Kuddel Daddel Du“, „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“,.„Steaks und Bier und Zigaretten“ und dem unverwüstlichen „Aloha Heja He“: es war alles dabei!

Als absoluter Höhepunkt kamen am Ende (und jetzt festhalten!) Inga Rumpf, Klaus Lage, Heinz-Rudolf Kunze, Lotto King Karl, Pe Werner, Stoppok, Jan Fedder und Piet Klocke für eine Wahnsinns-Version von „Hart am Ball“ auf die Bühne.

Völlig erschöpft wollte ich mir dann (es war ja zu Ende!!) noch ein Bier holen, viele Fans waren schon auf dem Weg zum Auto, da kam Achim noch einmal alleine auf die Bühne und spielte das ganz neue und noch nicht veröffentlichte „Leben leben“. Ein Text wie ein Traum, besser kann man kein Konzert beenden. Danke Achim Reichel!

P.S.

Für solche Abende lohnt es sich zu leben!

Pressestimmen

"Unsere Musik bedeutet den Leuten wirklich was"
(Quelle: Stefan Krulle in “Die Welt” v. 27.08.2003)

Man sieht es nicht, man hört es nicht, man weiß es nur: Er ist wirklich schon so alt. Mit knapp 60 auszuschauen wie Reichels Achim, das brauchen wir uns schon mit 40 nicht mehr vorzunehmen ‑ zu spät. Wie nach zwei Jahren Ferien griente das Hamburger Rockdenkmal von der Bühne der Fischauktionshalle und dort von Bildschirmen bis in die letzten Ecken des backsteinernen Gemäuers.

Achim hatte was zu feiern. Als die Republik dem Kriegsende noch näher war als dem Milleniumswechsel, wurde er mit den Rattles in Hamburgs Starclub zur "besten Rock'n'Twist Band" zwischen Flensburg und Passau gewählt. Und seither ist viel passiert - Zeit für eine Rückschau mit Freunden, von den Original-Rattles bis zu Jan Fedder, Stoppock und Klaus Lage.

Am nächsten Morgen trugen wir ein zufriedenes Lächeln im Gesicht, denn Achim enterte die fest vertäute "Hamburg" und hatte sich noch nicht alle Falten aus dem Antlitz und Beläge von den Stimmbändern gefrühstückt. Dreieinhalb Konzertstunden zeichnen eben sogar den unkaputtbaren Zeremonienmeister. Viele der Fans vom Vortage mochten wir uns allerdings auch gerade nicht vorstellen. "Ooch, ja, doch, toll", sagte Achim, habe er den Abend gefunden. Vielleicht sollte Hamburg mal Reichels Geburtsort Wentorf eingemeinden. So ganz langsam kehrten dann bei Kaffee und Elbblick die Lebensgeister zurück, und Achim wusste immer mehr und immer bessere Gründe zu benennen, die ihn über vier Jahrzehnte an der Oberfläche gehalten hätten.

Wenn er selbst jetzt so die Jahre zähle, "dann staune ich oft doch sehr; dass es mich als Sänger noch immer gibt. Inzwischen kann ich mir aber vorstellen, dass wir uns hier in 20 Jahren wiedersehen und alle noch das Gleiche machen". Für uns wollen wir da lieber nicht die Hand ins Feuer legen. Irgendwann, sagt Achim dann, als damals so die ersten Flausen aus dem Kopf waren bei ihm, da hat er sich mal angeguckt, wie die Leute vor ihm im Saal stehen, "und ich sah nur in so glückliche, entrückte Gesichter. Da wusste ich: Unsere Musik bedeutet den Leuten wirklich was, und die kannst du dir ja nun auch nicht aus dem Automaten ziehen." Das stimmt. Wenn Reichel mit seiner Band "Wir lagen vor Madagaskar" intoniert, als sei der Rock'n'Roll direkter Nachfahre der Shanties, wenn er vom "Spieler" oder "Erlkönig" singt und auch von der "Exxon Valdez", dann sind das inzwischen knorrige Cover‑Versionen seiner eigenen Hits und bleiben dennoch unverwechselbar. Wie ihr Interpret.

"Ich möchte das sein, was ich mache und mir nicht ein Image ausdenken, dem ich dann ewig entsprechen muss", sagt Reichel, und solche Sätze klingen nur von ihm unpeinlich. Weil er sich auch mal aufregen kann, "lieber gehe ich doch drei Mal in die Große Freiheit, als einen Abend in die Color Line Arena. In solchen Hallen ist meine Musik nicht entstanden, da werden bloß Materialschlachten geführt, und hinterher ist Kassensturz." Pfui! Da feierte Achim lieber gestern Abend zum zweiten Mal in der schön patinierten Halle am Hafen. Pünktlich zu seinem Sechzigsten am 28. Januar erscheint das Konzert auf CD und DVD. Das wäre wieder so ein Grund zum Feiern. Aloha-He!

Achim Reichel spielte für seine Freunde
(Quelle: caro in “Hamburger Abendblatt” v.27.08.03)

Es war der zweite große Abend für ihn und diesmal feierten ihn seine Freunde. Sie waren unter den 2500 Fans beim Jubiläumskonzert von Achim Reichel, Der 59-jährige war dahin zurückgekehrt, wo er aufgewachsen ist.

Der Musiker ist ein Hamburger Jung vom Kiez. Seine Schule war dort, wo heute die Astra‑Brauerei steht. Mit seinen Klassenkameraden spielte er auf dem Fischmarkt. „Vom Anleger vor der Fischauktionshalle sind wir in die Elbe gesprungen. Das war eine Mutprobe." Gestern begeisterte Reichel in der Fischauktionshalle mit seinen großen Hits das zweite Konzert anlässlich seines 40. Bühnenjubiläums. Gefeiert wurde so, wie es ihm gefällt. Rockig.

„Großstadtrevier"-Schauspieler Peter Heinrich Brix (49) klatschte, Kollegin Katja Studt (29) wippte mit, Pianist Gottfried Böttger (53) und seine Frau Jasmin (42) waren extra aus Frankfurt angereist. Nur einer kam nicht. Achim Reichel hatte seinen Kumpel aus Star-Club-Zeiten; Ex-Beatle Sir Paul McCartney (61), eingeladen - allerdings auch gleich klargestellt „Ich mach mir keine großen Hoffnungen, dass er wirklich kommt."

Dabei waren u. a.: Clemens Teichmann (NDR), Entertainer Bill Ramsey (71), Komiker Günther Willumeit, Schauspieler Volker Lechtenbrink (59) und Blödel-Star Karl Dall (62). Nach dem Konzert gab’s noch eine „Aftershow-Party”.

Der verrückte Bierkutscher

Jethro Tull

16. Juni 2003, Hamburg, Stadtpark Open Air

Es ist Sommer und die alten Recken zieht es wieder hinaus auf die Strasse. In diesem Sinne war es nur konsequent, dass sich die Mannen um Ian Anderson unter dem wolkenlosen blauen Himmel Hamburgs auf eine Reise durch fast 35 Jahre Tull-Musik begaben.

Ich habe gar keine Lust, lange in Superlativen zu schwelgen. Es war tolles Wetter, eine Superakustik, eine perfekt eingespielte Band und, was mir am besten gefiel, obwohl die Karten ein “Very best of..” androhten, spielten Jethro Tull auch neue Stücke von den erst im August und Oktober geplanten neuen Alben. Es gab also keine rührselige “Oldie-Nacht”, sondern eine lebendige Band, die sich und ihre Musik durchaus auch mal auf den Arm nahm. Alles “very british” mit dem speziellen Humor Ian Andersons, oder wie sagte mein Konzertnachbar: “Was macht denn der verrückte Bierkutscher da!”.

Es war ein richtig netter Abend, der allerdings viel zu schnell vorbei war. Für die Weltstadt Hamburg gilt ja ab 22:00 Uhr Nachtruhe, und dazu fällt mir dann gar nichts mehr ein!

Pressestimmen

Immer nur das Beste
Jethro Tull spielten im Stadtpark mit ihrer Vergangenheit
(Quelle: eb, Hamburger Morgenpost v. 18.06.2003)

„Living with the Past", „Leben mit der Vergangenheit" hieß diesmal das Motto der Jethro Tull-Tour. In Hamburg hingen aber auch alte Plakate, die einfach nur "Greatest Hits" versprachen. Wie jedes Jahr. Mag ja sein, dass Bandboss Ian Anderson auch mit 55 noch das Äußere eines höchst exzentrischen Briten pflegt, im Grunde seines Herzens aber ist er ein knallharter Geschäftsmann – und sieht man den Tatsachen erbarmungslos ins Auge, wollen Tull-Fans nun mal kein neues Liedgut hören, sondern die alten Kracher, von "Aqualung" über "Heavy Horses" bis zum obligatorischen Finale "Locomotive Breath".

Und die gab es auch im Stadtpark, mit viel Lebensfreude dargeboten. Was also will man als Kritiker mehr? Die gut 2000 TullFans jedenfalls hatten ihren Spaß, zumal Anderson ja mit dem Zweitrauschebart Martin Barre an der Gitarre ein weiteres Urgestein aus uralten Bandtagen dabeihatte. Mit der Vergangenheit lässt es sich immer noch prächtig leben. Die Kasse klingelt, alle sind glücklich, der Abend war rundum gelungen!

Geht diesem Mann denn nie die Puste aus?
3000 Besucher genossen beim Jethro-Tull-Konzert im Stadtpark
lan Andersons Flötentöne
(Quelle: hpe, Die Welt v. 18.06.2003)

Bis 1968 hatte eine Querflöte in der Rockmusik ungefähr so viel zu suchen wie ein Cembalo im brasilianischen Samba. Dann aber gründete Ian Anderson die Gruppe Jethro Tull und jagte das Silberrohr über alle verfügbaren Verstärker. Puste und Ideen sind ihm seitdem ebenso wenig ausgegangen wie die Fans. Fast dreitausend Besucher erschienen deshalb am Montag im Stadtpark, wo die Kultband in ihrer mittlerweile siebzehnten, seit Mitte der neunziger Jahre bestehenden Formation live zu hören war.

Dass Anderson den Abend mit "Living With The Past“ beginnen ließ, hatte schon was Bekenntnishaftes. Von seiner legendären Haarmähne hat sich der Schotte zwar längst getrennt, vom typischen Sound seiner verrockten Folkmusic nicht ein Haarbreit. Im Vergleich zu früher ist sein Spiel vielleicht nur weniger emphatisch, gewiss auch deutlich ärmer an Nebengeräuschen. Die harten, fast gespuckten Töne, die perkussive Aufgaben erfüllen und den Beat anpeitschen sollen, gibt es aber trotzdem noch in reicher Fülle. Allein die hohe Lage klingt zuweilen so ungewohnt zart und klar, dass sie sich mit den E‑Gitarren‑Kantilenen von Martin Barre ganz aufregend vermischt und klanglich zuweilen kaum mehr davon zu unterscheiden ist. Meist variiert Anderson die Phrasen hemmungslos und verziert sie mit prasselndem Flatterzungen-Feuerwerk.

Wenn er wie beim Instrumental "Pavane" dann mal in Greensleeves‑Seligkeit mit Streichersamples versank, war das auch nicht so schlimm, denn gleich darauf riss er bei „Fat Man", einer Art afrikanischem Steppen‑Blues inklusive Bongos und Autohupensolo, das Publikum wieder aus sanften Träumen. Nachdenkliche Töne schlug er dagegen im kritischen Song "Besides Myself " an, der mit Gitarrensoli im Stile Ry Cooders anhebt und von der Kinderprostitution in Indien erzählt.

Unschuldig-liedhafte Flötenthemen oder verstaubte Folklore mit irischem Einschlag blieben bei diesem Konzert eher die Ausnahme. Eine Ausnahme blieb zum Glück auch der Auftritt des ‘Special Guest’ Masha, den Anderson für den Titel "MB Inst (Count The Chickens)" auf die Bühne bat. Weit unter seinem Niveau verkaufte er für sie einen Song, zu dem die junge Nachwuchskünstlerin in türkischem Flair summte und tanzend die Arme wand. Das ist nun wirklich nicht das Wahre für einen Rocker, der die wildesten Trillerketten und den saftigsten Beat produziert und dabei mühelos Künstler wie Doane Perry (Drums) und Jonathan Noyce (Bass) an die Wand bläst. Gelegenheit dazu sollte er an diesem strahlenden Sommerabend noch genug haben, ohne dass ihm die Puste ausging.

Deep Purple im Stadtpark

Deep Purple

04. September 2002, Hamburg, Stadtpark Open Air

An einem lauen Spätsommerabend trafen sie sich endlich wieder einmal im Hamburger Stadtpark:

Jene, die immer noch nicht aufgeweicht sind von dem täglichen Einheitsbrei norddeutscher Radiosender, die Schlagermusik noch heute genauso schlimm wie damals finden (merke: Wein kann besser werden wenn er altert, schlechte Musik nicht!!), und schließlich alle, die das Original einer Kopie vorziehen.

Puristen werden vielleicht die Nase rümpfen, da es sich bei dem erwähnten „Original“ um Deep Purple handelt, einer der wechselfreudigsten Gruppen der Rockgeschichte. Wer mag bei dieser Band noch von einer Originalbesetzung sprechen?

Deep Purple 2002: Roger Glover, Steve Morse, Ian Paice, Don Airey, Ian Gillan (v.l.n.r)

An diesem Abend stand dann auch als Ersatz für das Gründungsmitglied Jon Lord der neue Keyboarder Don Airey hinter den Tasten.
Die Band legte mit „Fireball“ los wie die sprichwörtliche Feuerwehr und der Funke sprang sofort über. Mochte Ian Gillan mit seinen kurzen, mittlerweile leicht angegrauten Haaren auch wie der ältere Bruder unseres damaligen Kanzlers aussehen, die Power ist noch immer da. Sein absolutes Glanzstück war dann „When A Blind Man Cries“, selten habe ich eine solche Gänsehautinterpretation diesesKlassikers gehört. Dies war jedoch nur ein Höhepunkt unter vielen.

Simpler geht’s nicht! Wenn einem nichts mehr einfällt, dann greift man zu Platitüden. Die Seite musste wohl noch gefüllt werden… In den „Pressetimmen“ schlug man dann ganz andere Töne an 😉

So wie Steve Morse die Erinnerung an Ritchie Blackmore mit jedem Solo immer mehr verblassen lässt, fegten die restlichen Mitglieder mit ihren Soli in dem endlos ausgedehnten „Speed King“ jeden Gedanken an „Altersheim-Riege“ oder „Rentnerband“ von der Bühne. Ian Paice am Schlagwerk oder auch Roger Glover am Bass (so möchte mancher Gitarre spielen! Irre!!) rockten alles in Grund und Boden. Don Airey wurde in die Band integriert und spielte seinen Part sauber runter. Während Steve Morse jedoch vor mittlerweile sieben Jahren mit seinem eigenen Stil aus dem Schatten von Blackmore trat, so muss Don Airey seinen wohl noch finden.

Die Setliste umfasste nahezu sämtliche Klassiker sowie „Ted The Mechanic“ und ein sehr rockiges Instrumental (wenn ich Ian Gillan richtig verstanden habe „Well Dressed Guitarist“) vom für Anfang 2003 geplanten neuen Album BANANAS.
Nach knapp 80 Minuten ging es mit „Smoke On The Water“ in die (leider) einzige Zugabe, die mit „Hush“, „Black Night“ und „Highway Star“ den Stadtpark und die zahlreichen Zaungäste ein letztes Mal erbeben ließ.

Pressestimmen

Bier, Schweiß und Gesang
(Quelle: Ralf Dorschel, Hamburger Morgenpost v. 06.09.2002)

Deep Purple luden im ausverkauften Stadtpark zum »Bierbauch-Tanz«. Was ist das: den linken Arm unbequem nach links abgespreizt, die Hand zur Kralle? Die rechte Hand an die Gürtelschnalle und dann immer rauf und runter? Genau! Die Luftgitarre! Man sah sie im Dutzend, motiviert und dirigiert von Ian Gillan - der Stadtpark mag schon mal elegantere Tänzer gesehen haben, aber selten mehr Luftgitarristen.

Deep Purple waren da, oder genauer: Das, was von der legendären Deep Purple-Besetzung übrig ist. Im vergangenen Februar war Keyboarder Jon Lord zum x-ten Mal dem Kollektiv entwichen, der neue Mann an den Tasten heißt Don Airey und spielte mal bei Rainbow. Die Band ist also nicht ganz auf der Höhe von 1972, aber die Fans sind es ja auch nicht. Hier und da versickern arg schräg gehaltene Biere vor den gleichnamigen Bäuchen im Erdreich. Wir werden alle nicht jünger. Egal, denn was da auf der Bühne geschah, konnte sich sehen (endlich mal wieder eine richtig fette Lightshow im Stadtpark!) und hören lassen. Es waren nicht ganz die alten Deep Purple, aber es waren richtig gute Deep Purple.

Der erste Teil fiel überraschend blueslastig aus, vor allem “When A Blind Man Cries” hatte sich die Begeisterungsstürme wirklich verdient: ohne Rumgeniedel mit viel Gefühl auf den Punkt gespielt - die könnens noch, die alten Säcke. Das Programm war mit 80 Minuten nicht zu lang und clever kombiniert aus neueren Nichtigkeiten und den Klassikern. Ian Gillan (57) war bestens bei Stimme und Kondition, Ian Paice und Roger Glover standen ihm nicht nach. Und Don Airey gelang es, ein ganzes Kapitel Rock-Geschichte wiederauferstehen zu lassen: den Klassik-Rock und sein zentrales Ich-zeigs-euch-allen-gleich-werdet-ihr-staunen-Keyboard-Solo.

Da verfing sich dann Beethoven im Blues, die deutsche Hymne im "Star Wars"-Thema. Das Publikum hatte denn auch wirklich allen Grund zum Staunen. Nein wirklich, man hätte diesen Abend schlechter verbringen können. Deep Purple Anno 2002 sind allen Unkenrufen zum Trotz eine hellwache und jugendlich aufspielende Hardrock-Band.

Smoke on the Stadtpark, Fire in the Sky
( Quelle: Die Welt v. 06.09.2002)

5000 Besucher standen im Stadtpark, rund 1000 lagerten bei Kerzenschein auf dem Rasenstreifen der Allee vor den Toren, als Ian Gillan von Deep Purple als letzten Song vor den Zugaben "Smoke On The Water" anstimmte. Die Band, die einst zeitgleich mit Led Zeppelin den Hardrock erfand, präsentierte sich - trotz der zahlreichen Umbesetzungen ihrer mehr als 25-jährigen Geschichte - praktisch in Bestform. Barfuß und frohgemut gab Ian Gillan den Springinsfeld und Mikrofonständerschleuderer.

Schön, dass die Diskussionen des Abends nicht vor der Bühne, sondern auf ihr stattfanden. Nach einem wundervollen Phrasendialog zwischen Don Airey am Keyboard und Steve Morse an der Gitarre erzählte Roger Glover eine melodische Geschichte auf dem Bass. Anschließend holte Drummer Ian Paice als ältestes Mitglied der Band zu einer seiner unnachahmlichen Rhythmus-Eskapaden aus. Es ist immer wieder verblüffend, wie sehr der Schlagzeuger trotz seiner virtuosen Kollegen den Sound der Gruppe prägt. Ian Gillan, der seinen Instrumentalisten den Raum überlassen hatte, kehrte zurück und wechselte noch einige Koloraturbemerkungen mit der E-Gitarre seines Kollegen Morse. Nun ging es zur traditionellen Sache: Neben "Hush" erklang auch "Speed King". Auf "Child of Time" warteten die Fans, wie in den vergangenen Jahren, allerdings vergeblich. Die neueren Stücke, mit denen das Konzert eröffnet wurde, sind zwar auch ganz schön, jedoch erheblich durchsichtiger konzipiert als die Oldies, setzen bewusster auf die Präsentation der Fähigkeiten der einzelnen Bandmitglieder - wenn du ein Solo hast, will ich auch eins - und sind damit nicht annähernd so urgewaltig und mitreißend wie die Stücke, die jeder auswendig kennt.

Aber zum Einstieg sind sie wunderbar geeignet. Der Jubel der Fans sorgte bei den Deep-Purple-Stars offenkundig für gute und Geberlaune. Allein der piratenkopftuchtragende Roger Glover schleuderte schon während des Konzertes ein gutes Dutzend Plektren ins Publikum. Steve Morse warf am Ende einen ganzen Stapel hinterher und auch Ian Paice trennte sich frohgemut von seinen Sticks. Und die Elektrolichtscheinwerfer zauberten zum letzten Mal für diesen Abend ein "Fire in the sky".

Noch nicht reif für die Rente
(Quelle: Hamburger Abendblatt v. 06.09.2002)

Hamburg - Soundwälle aus der Hammond-Orgel von Jon Lord und exzellente Saitenquälerei von Ritchie Blackmore - dafür steht Deep Purple. Nach mehrfacher Umbesetzung ist seit März diesen Jahres wieder ein neues Gesicht dabei: 34 Jahre nach ihrer Gründung gab die Band mit neuem Keyboarder Don Airey am Mittwoch auf der Freilichtbühne im Stadtpark das letzte Konzert der Deutschland-Tournee.

Barfuß und in weißem Guru-Look kam Sänger Ian Gillan und legte gleich mit "Magic Woman" los. Neben Songs der neueren Alben waren es doch die alten Hits wie "Woman From Tokyo" und "Smoke On The Water", die für Stimmung sorgten. Dazwischen lagen ausgiebige Soli, bei denen vor allem Gitarrist Steve Morse, seit 1994 an Blackmores Stelle, die Führung übernahm. Gelegenheit für Gillan, die Bühne kurz zu verlassen, um auch nach eineinhalb Stunden noch unisono mit Morses Gitarrenläufen in wilden Höhen wettstreiten zu können.

Ein Deep-Purple-Konzert ohne "Child In Time" - eigentlich undenkbar. Die Fans, im Alter ebenbürtig, waren trotzdem zufrieden. Purer alter Hardrock ohne runtergestimmte Gitarren, der keinen Grund zur Rente gibt: The battle rages on.

Eine Spielwiese im Netz